Arbeitsrecht

Ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ohne Ladung

Die Ladung zu einer Betriebsratssitzung ohne Mitteilung der Tagesordnung führt dann nicht zu Unwirksamkeit eines in dieser Betriebsratssitzung gefassten Beschlusses führt, wenn sämtliche Mitglieder des Betriebsrats rechtzeitig geladen sind, der Betriebsrat beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die anwesenden Betriebsratsmitglieder einstimmig beschlossen haben, über den Regelungsgegenstand des später gefassten Beschlusses zu beraten und abzustimmen. Nicht mehr erforderlich ist, dass in dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind.

Was ist passiert?

Arbeitgeber und Betriebsrat stritten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über Torkontrollen, die der Vorgängerbetriebsrat mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hatte. Der neu gewählte Betriebsrat hält diese Betriebsvereinbarung für unwirksam, weil sie das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beeinträchtige und verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sei. Die Zustimmung zu der Betriebsvereinbarung sei in einer Betriebsratssitzung beschlossen worden, zu der ohne Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sei. Dieser Mangel der nicht ordnungsgemäßen Ladung habe trotz einer einstimmigen Beschlussfassung nicht geheilt werden können, weil nicht alle Betriebsratsmitglieder anwesend waren.

Der 1. Senat des BAG möchte den Beschluss des Betriebsrates als wirksam ansehen, weicht damit aber von der bisherigen Rechtsprechung des 7. Senats vom Bundesarbeitsgericht ab. Er hat deshalb den 7. Senat förmlich angefragt, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte, nach der ein Beschluss nur dann ordnungsgemäß gefasst werden kann, wenn die Beschlussfassung entweder in der Einladung zur Betriebsratssitzung enthalten ist oder alle Betriebsratsmitglieder anwesend sind und entsprechend die Ergänzung der Tagesordnung beschließen.

Wie hat das BAG entschieden?

Der 7. Senat will an seiner Rechtsprechung nicht mehr festhalten.

Das BetrVG regelt die Voraussetzungen einer wirksamen Beschlussfassung des Betriebsrats nicht abschließend. Es bestimmt im § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG lediglich, dass die Beschlüsse des Betriebsrats mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst werden. Ferner regelt § 33 Abs. 2 Halbsatz 1 BetrVG, dass der Betriebsrat nur beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt. Das Gesetz selber enthält keine Vorschrift, dass zur Sitzung auch unter Angabe des jeweiligen Tagesordnungspunktes geladen werden muss.

Zwar ist die Beachtung des § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG und die dort ausdrücklich angeordnete Ladung der Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung als wesentlich für die Wirksamkeit eines in der Sitzung gefassten Betriebsratsbeschlusses anzusehen. Wenn jedoch die Tagesordnung unvollständig ist oder in der Sitzung spontan ergänzt wird, reiche es für eine wirksame änderung und damit auch Beschlussfassung aus, dass alle Betriebsratsmitglieder einschließlich erforderlicher Ersatzmitglieder rechtzeitig zur Sitzung geladen worden sind und die beschlussfähig (§ 33 Abs. 2 BetrVG) erschienenen Betriebsratsmitglieder in dieser Sitzung einer Ergänzung oder Erstellung der Tagesordnung einstimmen beschließen.

Fazit

Die Entscheidung des 7. Senats hat weitreichende Folgen für die Praxis. Zukünftig kann der Betriebsrat jederzeit einstimmig die Tagesordnung ändern oder ergänzen, auch wenn nicht alle geladenen Betriebsratsmitglieder erschienen sind. Ein Betriebsratsmitglied, das nicht zur Sitzung erscheint, hat keinen Schutz davor, dass die anwesenden Betriebsratsmitglieder einen weiteren Tagesordnungspunkt einstimmig auf die Tagesordnung setzen. Ein Betriebsratsmitglied kann also auch nicht durch „Schwänzen“ der Betriebsratssitzung eine sich möglicherweise abzeichnende Beschlussfassung verhindern.

Erforderlich ist aber nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung nach wie vor ein einstimmiger Beschluss zur änderung der Tagesordnung. Wie der Beschluss zu behandeln ist, wenn er nicht einstimmig zustande kommt, ist nicht zu entscheiden gewesen. Auch die Frage, ob die Geschäftsordnung eines Betriebsrates eine davon abweichende Regelung vorsehen kann, stand nicht zur Entscheidung an.

(BAG, Beschluss vom 22.01.2014 – 7 AS 6/13)