Arbeitsrecht

Behinderungsgerechte Beschäftigung – Annahmeverzug

  1. Gegenüber einem Schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeiter besteht kein erweitertes Direktionsrecht, das dem Arbeitgeber die Zuweisung einer zwar behinderungs- nicht aber vertragsgerechten Tätigkeit ermöglicht.
  2. Lehnt der Arbeitnehmer ein änderungsangebot ab, das bereits für die Dauer der noch einzuhaltenden Kündigungsfrist eine betriebsübliche Absenkung der Vergütung für die neue Tätigkeit beinhaltet, scheiden jedenfalls für die Dauer einer für die ordentliche änderungskündigung einzuhaltenden Frist Ansprüche wegen entgangener Vergütung aus.

Was ist passiert?

Der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer war bei der Beklagten zunächst als Lackierer mit einem Stundenlohn von zuletzt 13 € beschäftigt. Aufgrund verschiedener Erkrankungen konnte der Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht mehr ausüben. Mit Schreiben vom 28.08.2012 bot die beklagte Arbeitgeberin daraufhin dem Kläger an, ihn ab 01.09.2012 als Elektrohelfer mit einem Stundenlohn von 11 € brutto weiter zu beschäftigen. Der Kläger lehnte dieses änderungsangebot ab und verlangte, weiterhin mit einem Stundenlohn von 13 € brutto beschäftigt zu werden. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab, da der Kläger unstreitig nicht mehr als Lackierer, sondern nur noch als Elektrohelfer beschäftigt werden könne und für diese Tätigkeit üblicherweise im Betrieb ein Stundenlohn von 11 € gezahlt werde.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Vergütung in Höhe von 13 € je Stunde für die Dauer von 2,5 Monaten ab dem 01.09.2012.

Wie hat das LAG entschieden?

Es hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger war aufgrund seiner Behinderung nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeit als Lackierer auszuüben. Somit konnte der Kläger seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung also nicht mehr anbieten. Deshalb befand sich die Arbeitgeberin ab 01.09.2012 mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht im sogenannten Annahmeverzug.

Einseitig konnte die Arbeitgeberin dem Kläger die neue Tätigkeit als Elektrohelfer nicht im Wege des Direktionsrechts übertragen. Bei der Tätigkeit als Elektrohelfer handelt es sich um eine geringer wertige und schlechter bezahlte Tätigkeit. Auch wenn der Kläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt war, führt dies nicht dazu, dass sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitert. Auch gegenüber einem Schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber nicht einseitig eine geringer wertige Tätigkeit übertragen.

Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, dem Kläger hier eine Tätigkeit als Elektrohelfer zu einem Stundenlohn von 13 € anzubieten.

Fazit

Die Entscheidung ist auf den ersten Blick etwas überraschend, denn die neue Tätigkeit als Elektrohelfer mit einem Stundenlohn von 11 € hätte die Beklagte dem klagenden Arbeitnehmer ja nur im Wege einer änderungskündigung nach § 2 KSchG übertragen können. Zumindest für die Dauer der Kündigungsschutzfrist hätte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer noch als Lackierer beschäftigen müssen. Allerdings konnte der Kläger diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr anbieten. Selbst wenn also die Arbeitgeberin eine änderungskündigung ausgesprochen hätte, hätte sie für den Zeitraum der Kündigungsfrist den Kläger nicht beschäftigen können und müssen. Somit hätte der klagende Arbeitnehmer also ab September 2012 nur dann eine Vergütung erhalten, wenn er als Elektrohelfer gearbeitet hätte. Dies wollte der Kläger aber definitiv nicht (er hat das Arbeitsverhältnis inzwischen selber gekündigt gehabt). Somit besteht konsequenterweise auch für die Dauer der Kündigungsfrist kein Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von 13 €. Es gilt also auch hier der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer, der die vertraglich geschuldete Leistung subjektiv nicht mehr erbringen kann, eben keinen Anspruch auf Vergütung mehr hat.

(LAG Hamm, Urteil vom 21.08.2013 – 8 Sa 1697/13)