Arbeitsrecht

Betriebsratsarbeit keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes

  1. Betriebsratsarbeit ist keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 Arbeitszeitgesetz.
  2. Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gem. § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung.
  3. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist regelmäßig anzunehmen, wenn ansonsten bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 Arbeitszeitgesetz überschritten werden würde.

Was ist passiert?

Der antragstellende Betriebsrat in einem Filialunternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern tagte regelmäßig donnerstags von 08.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Im Betrieb wurde in drei verschiedenen Schichten gearbeitet. Die Spätschicht beginnt um 11.05 Uhr und endet um 20.15 Uhr.

Die Arbeitgeberin verlangte, dass Betriebsratsmitglieder, die an Sitzungstagen des Betriebsrats in der Spätschicht eingeplant seien, nach Beendigung der Betriebsratssitzung noch bis zum Ende der Spätschicht arbeiten sollten. In der Schichtplanung für August 2014 war das Betriebsratsmitglied H. für den 27.08.2014 für die bis um 20.15 Uhr geplante Spätschicht disponiert. Tatsächlich hat die Mitarbeiterin am 27.08.2014 ab 08.00 Uhr an der ordentlichen Betriebsratssitzung teilgenommen und nach Beendigung der Betriebsratssitzung die Arbeit in der Filiale aufgenommen. Um 17.36 Uhr hat die Mitarbeiterin H. ausgestempelt und die Filiale verlassen.

Der Betriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht festzustellen, dass die Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, von Betriebsratsmitgliedern und Ersatzmitgliedern Arbeitsleistungen vor oder im Anschluss an ganz oder zum Teil außerhalb der disponierten Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung zu verlangen, soweit diese unter Hinzurechnung der Sitzungsdauer acht oder zehn Stunden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten und innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktägliche Arbeitszeit überschritten werden, überschreitet.

Wie hat das LAG entschieden?

Das Gericht hat den Antrag des Betriebsrates als zu weit gefassten Globalantrag aus formalen Gründen zurückgewiesen.

Das Betriebsratsamt ist nach § 37 Abs. 1 BetrVG ein Ehrenamt. Deshalb wird auch nicht die Betriebsratstätigkeit vergütet, sondern es wird letztlich die durch die Betriebsratstätigkeit „verlorene“ Arbeitszeit ersetzt. Das Betriebsratsmitglied wird so gestellt, wie es ohne die Betriebsratstätigkeit gestanden hätte.

Insoweit wäre es in der Tat nur konsequent, die für das Ehrenamt aufgewendete Zeit eben nicht als Arbeitszeit zu bewerten. Dies führt aber in der Praxis zu nicht tragfähigen Ergebnissen. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes auf die Betriebsratstätigkeit sei, so das LAG, zu verneinen. Sonst sei es im Rahmen zugespitzter, innerbetrieblicher Konfliktsituationen (beispielsweise bei den Verhandlungen über einen Sozialplan) im Einzelfall nicht immer zu gewährleisten, dass der Betriebsrat bei einem Verhandlungsmarathon alle Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes 1:1 einhalte. Es liegt dann im Rahmen des dem Betriebsrat übertragenen Ehrenamts in seiner eigenen Verantwortung, welche Anstrengungen er sich noch zumutet und ab welchem Punkt er dem Erholungsbedürfnis seiner Mitglieder Vorrang gewährt. Es griffe in die Unabhängigkeit der Amtsführung des Betriebsrats ein, wenn dem Arbeitgeber zustehen würde, den Betriebsrat in der heißen Phase einer Verhandlung „quasi ins Bett zu schicken“.

Im Anschluss an die Entscheidung des BAG vom 07.06.1989 sei daher eine vermittelnde Lösung angemessen, nach der die Maßstäbe des Arbeitszeitgesetzes mittelbar zu beachten seien.

Fazit

Das LAG Niedersachsen hat hier leider nicht den Mut bewiesen, auch die Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern als Arbeitszeit anzuerkennen, wie dies beispielsweise im Kommentar von Buschmann/Ulber zum Arbeitszeitgesetz vertreten wird. Zwar kommt auch das LAG Niedersachsen im Ergebnis dazu, dass grundsätzlich die für die Betriebsratstätigkeit aufgewendete Zeit wie Arbeitszeit zu behandeln. Es seien aber im Einzelfall Konstellationen denkbar, bei denen es den Betriebsratsmitgliedern durchaus zuzumuten wäre, auch bei Zusammenrechnung der Zeiten die Grenzen des § 3 Arbeitszeitgesetz geringfügig zu überschreiten. Das sei etwa dann der Fall, wenn erhebliche Beratungspausen in die Betriebsratstätigkeit fallen oder eine Notlage des Arbeitgebers, zum Beispiel Personalengpass aufgrund eines unerwartet hohen Krankenstands, gegeben sei.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen und ist unter dem Aktenzeichen 7 ABR 17/15 anhängig.

Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Vielleicht hat ja das BAG den Mut, hier in der entsprechenden Anwendung der EU-Richtlinie 2013/88/EG endgültig für Klarheit zu sorgen.

(LAG Niedersachsen, Beschluss vom 20.04.2015 – 12 TaBV 76/14)