Arbeitsrecht

Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Was ist passiert?

Die im Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 mit den Worten:

„… seit über 20 Jahren gehen wir nun beruflich gemeinsame Wege. Wir haben in dieser Zeit viel erlebt, auch manche Veränderung. Inzwischen bist du pensionsberechtigt und auch für uns beginnt ein neuer Lebensabschnitt in der Praxis. Im kommenden Jahr kommen große Veränderungen im Laborbereich auf uns zu. Dies erfordert eine Umstrukturierung unserer Praxis. Wir kündigen deshalb das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013….“

Zum 03.01.2014 stellte die Arztpraxis eine 35-jährige Krankenschwester neu ein. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Fazit

Wären in der Arztpraxis mehr als 10 Mitarbeiterinnen beschäftigt gewesen, hätte das Kündigungsschutzgesetz Anwendung gefunden. Dann hätte sich die Frage gestellt, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG korrekt vorgenommen worden wäre. Es deutet manches darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Sozialauswahl nach dem Kündigungsschutzgesetz unwirksam gewesen wäre.

Da das Kündigungsschutzgesetz ja aber keine Anwendung gefunden hat, war die Wirksamkeit der Kündigung eben nur nach dem AGG zu prüfen. Erfreulicherweise hat das BAG hier einen sozialen Kündigungsschutz auch in Kleinbetrieben anerkannt und folgt damit auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Bemerkenswert ist, dass das BAG hier die Ansprüche der Klägerin nicht darauf beschränkt hat, Schadensersatz zu verlangen (wie dies etwa bei der Ablehnung von Bewerbern vorgesehen ist), sondern sogar die Unwirksamkeit der gesamten Kündigung festgestellt hat. Das Arbeitsverhältnis hat vielmehr bis zum 30.06.2014, dem Beginn der Rente, fortgestanden.

(BAG, Urteil vom 31.07.2015 – 6 AZR 457/14)