Arbeitsrecht

Umkleidezeit als Arbeitszeit?

Das Umkleiden für die Arbeit ist Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber einer Weisung, sich im Betrieb umzukleiden, nicht erteilt hat, es sich aber um auffällige Schutzkleidung handelt, deren Tragen dem Arbeitnehmer in der öffentlichkeit nicht zuzumuten ist.

Was ist passiert?

Der Kläger ist aus Gründen des Arbeitsschutzes verpflichtet, während seiner Arbeitszeit im Müllheizkraftwerk Arbeitskleidung zu tragen. Beim Betreten des Werksgeländes betätigt er die Arbeitszeiterfassung und begibt sich sodann zur Umkleide. Für die Zurücklegung dieses Weges benötigt er ein bis zwei Minuten. Dort zieht er sich um und begibt sich danach zu seinem Arbeitsplatz, wo 15 Minuten vor dem Schichtbeginn eine Übergabe stattfindet. Die Übergabezeit wird gemäß der im Betrieb bestehenden Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, nicht aber die Umkleidezeit und die innerbetriebliche Wegstrecke. Nach Schichtende wird entsprechend verfahren. Mit seiner Klage macht der Kläger für den Zeitraum November 2012 bis April 2013 angefallene Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten im Umfang von insgesamt knapp 40 Stunden geltend.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

Wie hat das LAG entschieden?

Auch das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten von der Umkleidestelle bis zum Arbeitsplatz sind nach Auffassung des LAG Teil der vom Kläger geschuldeten tariflichen Arbeitszeit. Zwar enthält der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag selber keine ausdrückliche Bestimmung über die Vergütung von Umkleidezeiten. Nach der Rechtsprechung des ersten Senats des BAG können Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitszeit gehören, wenn das Umkleiden einem Fremdenbedürfnis dient. Immer dann, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss, sei von Arbeitszeit auszugehen. Es sei dem Kläger hier nicht zumutbar, in der Arbeitskleidung den Weg von und zur Arbeit zurückzulegen, da es sich hier um eine besonders auffällige Schutzkleidung handelt. Deshalb kam es für das Gericht auch nicht darauf an, dass keine ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers bestand, sich im Betrieb umzukleiden.

Fazit

Die Entscheidung des LAG Hessen ist eine konsequente Fortschreibung der Rechtsprechung des BAG. Neu ist, dass auch dann, wenn weder eine tarifliche Regelung noch eine ausdrückliche Anordnung des Arbeitgebers besteht, im Betrieb die Dienstkleidung anzulegen, die Umkleidezeit als Arbeitszeit anzusehen ist. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, die Mitarbeiter könnten ihre Dienstkleidung bereits zu Hause anlegen und müssten sich ja gar nicht erst im Betrieb umziehen. Dieser Argumentation hat das LAG Hessen zurecht einen Riegel vorgeschoben.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(LAG Hessen, Urteil vom 23.11.2015 – 16 Sa 494/15)