Arbeitsrecht

Keine Gefährdungsbeurteilung ohne Mitbestimmung

Die nach § 5 ArbSchG durchzuführende Gefährdungsbeurteilung ist ein (mögliches) Element des Gesundheitsschutzes. Die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung unterliegt der Mitbestimmung. Führt der Dienstgeber eine Gefährdungsbeurteilung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung (MAV) durch, würde das tatsächliche Geschehen das Mitbestimmungsrecht der MAV erledigen. Dem ist durch eine gerichtliche Untersagung entgegenzutreten.

Was ist passiert?

Am 15.07.2016 informierte die Arbeitgeberin die Mitarbeitervertretungen darüber, dass sie eine Befragung der Mitarbeiter über psychische Belastungen am Arbeitsplatz beabsichtigte. In den beigefügten Unterlagen war ausgeführt, dass Gegenstand der Befragung die „gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung der psychischen Belastung der Mitarbeiter“ sein sollte. Es wurden der Ablauf der Befragung und die beabsichtigte Form der Ausweitung geschildert sowie der Umgang mit den gefundenen Ergebnissen skizziert. Der vorgesehene Fragebogen/die Prüfliste und Anleitungen zur Auswertung waren ebenfalls beigefügt.

Die (einköpfige) Mitarbeitervertretung der Geschäftsstelle Würzburg verlangte daraufhin, die Maßnahme auszusetzen und sie nach § 36 Abs. 1 Nr. 10 MAVO zu beteiligen. Aufgrund der geringen Anzahl der Mitarbeiter in der Dienststelle sei zwar formal die Anonymität der Mitarbeiter gewahrt, tatsächlich lasse sich aber anhand der Aussagen die Identität der Mitarbeiter aus dem Fragebogen ermitteln. Nachdem die Arbeitgeberseite die Beteiligungsrechte der MAV ablehnte, beantragte die MAV den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Wie hat das Kirchliche Arbeitsgericht entschieden?

Das KArbG Augsburg hat dem Antrag der MAV in vollem Umfang stattgegeben. Die Regelungen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG sind nicht abschließend gesetzlich geregelt, sondern es handelt sich um ausfüllungsbedürftige Rahmenregelungen, für die eine betriebliche und individuelle Konkretisierung zu erfolgen hat. Es handelt sich um ein Maßnahmebündel, das durchzuführen ist, und deshalb liegt eine abschließende normative Regelung insoweit gerade nicht vor. Vielmehr ist der gesetzliche Rahmen auf der betrieblichen Ebene durch den Arbeitgeber auszufüllen und umzusetzen. Dabei steht der Mitarbeitervertretung ein Mitbestimmungsrecht zu.

Wenn ein Dienstgeber eine Gefährdungsbeurteilung durchführt, ohne die betriebliche Vertretung zu beteiligen, kann die MAV eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren beantragen. Könnte der Arbeitgeber seine einseitigen Vorhaben im Bereich des betrieblichen Gesundheitsschutzes ungehindert fortsetzen, würde das tatsächliche Geschehen das Mitbestimmungsrecht der MAV erledigen. Das rechtfertigt eine besondere Eilbedürftigkeit und lässt den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu.

Fazit

Eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG unterliegt der Mitbestimmung der betrieblichen Interessenvertretung. Diese ergibt sich aus § 87 Abs. 1. Nr. 7 BetrVG für die Betriebsräte, aus Art. 75 Abs. 4 Ziff. 8 BayPVG für die (bayerischen) Personalräte bzw. aus § 36 Abs. 1 Nr. 10 MAVO für die Einrichtungen der katholischen Kirche sowie § 40 lit.b) MVG-EKD für die evangelischen Kirchen. Insoweit ist die Entscheidung des kirchlichen Arbeitsgerichts hier nicht neu, wenn gleich das Gericht auch mit bewundernswerter Knappheit seine Argumentation begründet.

Beeindruckend ist, mit welcher Klarheit das Kirchliche Arbeitsgericht hier die Notwendigkeit einer einstweiligen Verfügung bejaht hat und somit verhindert, dass ohne Beteiligung der MAV eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Es wäre wünschenswert, wenn auch die Arbeits- und Verwaltungsgerichte in vergleichbaren Fällen ähnlich schnell reagieren würden.

(KArbG Augsburg, Beschluss vom 18.08.2016 – 1 MV 10/16)