Arbeitsrecht

Kranke müssen nicht zum Personalgespräch

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss nicht zum Personalgespräch im Betrieb erscheinen. Die Arbeitsunfähigkeit befreit den Beschäftigten von seiner Arbeitspflicht – dazu zählt auch die Anwesenheit im Betrieb. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn die Anweisung des Arbeitgebers aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer gesundheitlich dazu in der Lage ist.

Was ist passiert?

Der Kläger war nach einem Arbeitsunfall längere Zeit erkrankt. Während der Erkrankung lud die Arbeitgeberin den Kläger zu einem Personalgespräch ein, um mit ihm die weitere Beschäftigungsmöglichkeit zu klären. Der Kläger sagte die Teilnahme unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab.

Die Beklagte übersandte ihm eine neuerliche Einladung für den 11. Februar 2014, die mit dem Hinweis verbunden war, der Kläger habe gesundheitliche Hinderungsgründe durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attests nachzuweisen. Auch an diesem Termin nahm der Kläger unter Hinweis auf seine attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht teil. Daraufhin mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 18. Februar 2014 ab. Der Kläger verlangt nunmehr die Rücknahme der Abmahnung.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat der Klage stattgegeben.

Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers umfasst die Pflicht zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber während der Arbeitszeit im Betrieb angewiesenen Gespräch, dessen Gegenstand Inhalt, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung ist, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht anderweitig festgelegt sind (§ 106 Satz 1 GewO). Da der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit seiner Arbeitspflicht nicht nachkommen muss, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige, mit seiner Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenpflichten zu erfüllen.

Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist es dem Arbeitgeber allerdings nicht schlechthin untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um mit ihm im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erörtern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber hierfür ein berechtigtes Interesse aufzeigt. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies ist ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer ist dazu gesundheitlich in der Lage.

Die Arbeitgeberin war hier für die Unverzichtbarkeit des Erscheinens im Betrieb darlegungs- und beweispflichtig. Da sie dieser Pflicht nicht nachkam und solche Gründe nicht aufzeigen konnte, musste der Arbeitnehmer der Anordnung der Beklagten, im Betrieb zu einem Personalgespräch zu erscheinen, nicht nachkommen. Die Abmahnung ist daher zu Unrecht erfolgt. Der Kläger kann ihre Entfernung aus der Personalakte verlangen.

Fazit

Der Sachverhalt zeigt wieder einmal, wie es im Betrieb laufen kann, aber nicht laufen soll. Wegen der Nichtteilnahme an einem Personalgespräch während einer Arbeitsunfähigkeit eine Abmahnung auszusprechen, ist das Ungeschickteste, was einem Arbeitgeber zu raten ist. Natürlich hat auch der Arbeitgeber ein Interesse daran, zu erfahren, wie es denn weiter gehen soll. Aber mit einem solchen Verhalten wie hier erreicht der Arbeitgeber genau das Gegenteil. Spätestens seit der Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements in § 84 SGB IX sollte sich herumgesprochen haben, dass derartige Personalgespräche nur dann erfolgversprechend sind, wenn ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Wer das so kaputt macht wie der Arbeitgeber hier, muss sich nicht wundern.

Soweit dies der Pressemitteilung zu entnehmen ist, ist es nach Ansicht des BAG dem Arbeitgeber aber offensichtlich durchaus erlaubt, während einer Arbeitsunfähigkeit Kontakt mit dem Arbeitnehmer aufzunehmen, wenn dringende betriebliche Belange vorliegen. Dann kann es im Einzelfall vielleicht sogar erforderlich sein, währen einer Arbeitsunfähigkeit in den Betrieb zu kommen. Mal sehen, ob das BAG bald über einen solchen Fall zu entscheiden haben wird.

(BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15 – Pressemitteilung des BAG 59/16)