Arbeitsrecht

Anspruch einer Krankenschwester, nicht zur Nachtschicht eingeteilt zu werden

Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.

Was ist passiert?

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Nach einer Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Planung u.a. in Bezug auf die Schichtfolgen der Beschäftigten anzustreben. Das Pflegepersonal bei der Beklagten arbeitet im Schichtdienst mit Nachtschichten von 21.45 Uhr bis 6.15 Uhr. Die Klägerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.

Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit ar­beits­un­fä­hig krank sei. Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung – mit Ausnahme von Nachtdiensten – ausdrücklich an. Bis zur Entscheidung des Ar­beits­ge­richts im November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst Ent­gelt­fort­zah­lung und bezog dann Arbeitslosengeld.

Wie hat das BAG entschieden?

Die auf Beschäftigung und Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung gerichtete Klage war beim Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich. Die Klägerin ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tä­tig­kei­ten einer Krankenschwester ausführen. Die Beklagte muss bei der Schicht­ein­tei­lung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen. Die Ver­gü­tung steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit ordnungsgemäß angeboten hat und die Beklagte erklärt hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.

Fazit

Das Urteil ist noch ganz frisch und liegt bisher nur als Pressemitteilung vor. Es hat über den Einzelfall hinaus aber grundlegende Bedeutung für alle Schichtbetriebe. Wichtig dabei ist die Erkenntnis, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dazu führt, keine Nachtdienste bzw. Nachtschichten mehr leisten zu können, nicht gleichzusetzen ist mit einer Arbeitsunfähigkeit!

Andererseits führt nicht jedes hausärztliche Attest, dass ich nach Möglichkeit nicht mehr in der Nachtschicht eingesetzt werden soll, dazu, dass der Arbeitgeber mich ausschließlich außerhalb der Nachtschicht einsetzen muss. Es müssen schon ge­wich­ti­ge medizinische Diagnosen vorliegen, die erkennen lassen, warum gerade die Nachtschichtarbeit aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.

In der Praxis bedeutet dies häufig, dass die vorhandene Arbeit bei Ausfall einer Kollegin nachts auf weniger Köpfe verteilt werden kann und diese dann natürlich zusätzlich belastet werden. Dies ist auch für Personal- und Betriebsräte keine leichte Aufgabe bei der Dienstplangestaltung. Im vorliegen Fall kam der Klägerin sicher auch zugute, dass im Krankenhaus über 2.000 Mitarbeiter beschäftigt waren. Wie weit die Rücksichtnahme in kleineren Einrichtungen geht, bleibt nachzulesen in den schriftlichen Gründen, die in etwa drei Monaten vorliegen dürften.

(BAG, Urt. v. 09.04.2014 – 10 AZR 637/13)