Arbeitsrecht

Mitbestimmung bei Mediationstermin

Die Zeit der Teilnahme an einem vom Arbeitgeber veranlassten Mediationsverfahren stellt für die teilnehmenden Arbeitnehmer keine Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG dar. Die Teilnahme an einem Mediationsverfahren unterliegt nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 und 2 GewO. Ordnet ein Arbeitgeber die Teilnahme an einem Mediationsverfahren für bestimmte Arbeitnehmer verpflichtend an, so ergibt sich allein aus der Gesetzeswidrigkeit einer solchen Anordnung kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Was ist passiert?

Der Arbeitgeber ist Träger eines Konzertorchesters. Zwischen einigen seiner Musiker besteht Streit über die Verteilung der Sitzplätze bei Konzertaufführungen. Zur Schlichtung des Streits wurde auf Bitten einiger Musiker vom Arbeitgeber eine Mediation angeboten und durchgeführt, an der aber nicht alle an dem Konflikt beteiligten Musiker teilnahmen. Die Intendanz wurde daraufhin von den Teilnehmern des Mediationsverfahrens gebeten, verpflichtend für alle Musiker der ersten Geigen ein Abschlussgespräch anzusetzen.

Im Juni 2011 legte der Intendant dem Betriebsrat einen Dienstplan für den Monat Juli 2011 vor, der für den 20.07.2011 neben der allgemeinen Probe eine verpflichtende Dienstbesprechung aller Musiker der ersten Geigen vorsah. Der Betriebsrat lehnte diesen Dienstplan ab. Ein neuer Dienstplan sah die Dienstbesprechung der Musiker der ersten Geigen nicht mehr vor. In der Folgezeit schrieb der Arbeitgeber die Musiker der ersten Geigen an und teilte diesen mit, dass sie am 20.07.2011 verpflichtend an einem Gesprächstermin teilzunehmen hätten.

Daraufhin forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberseite auf, klarzustellen, dass diese Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit stattfindet und rein freiwillig sei. Dieser Aufforderung kam der Arbeitgeber nicht nach. Daraufhin beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht, es dem Arbeitgeber zu untersagen, die Musiker verpflichtend zu einer Dienstbesprechung einzuladen. Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass sich bei Orchestermusikern die Arbeitszeit auf die im Dienstplan vorgesehenen Dienste beschränke. Ordnet der Arbeitgeber darüber hinaus die verpflichtende Teilnahme an einem Gruppengespräch an, so sei der Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit betroffen. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht Nürnberg dem Antrag auch stattgegeben.

Wie hat das LAG entschieden?

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das LAG den Beschluss aufgehoben und den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitszeitbegriff orientiere sich an dem Regelungszweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, die zeitliche Lage der Arbeitszeit mit den Interessen der Arbeitnehmer an freier und für ihre privaten Belange nutzbarer Zeit abzustimmen. Deshalb ist Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG die Zeit, in der der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitszeit erbringen muss und kann. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats werde deshalb nur dann ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer durch die Anordnung des Arbeitgebers seine geschuldete Arbeitsleistung zu anderen Zeiten erbringen soll. Die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Mediation stellt aber auch dann keine Arbeitsleistung dar, wenn diese durch den Arbeitgeber veranlasst wird. Sie wird nicht dadurch automatisch zur Arbeitszeit, dass die Teilnahme im Interesse des Arbeitgebers liegt und vom Arbeitgeber als verpflichtend angeordnet worden ist. Zwar kann der Arbeitgeber nach § 106 GewO Art, Ort und Zeit der von Arbeitnehmern zu erbringenden Arbeitsleistung näher bestimmen. Dieses Weisungsrecht erstreckt sich auch auf die Ordnung und das Verhalten im Betrieb, soweit Nebenpflichten des Arbeitnehmers für die Erbringung der Arbeitsleistung unerlässlich sind. Die Teilnahme an einer Mediation nach § 1 Mediationsgesetz ist jedoch freiwillig. Schon hierdurch ist ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Mediation anordnen darf. Deshalb stelle die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Mediation keine Verhaltenspflicht des Arbeitnehmers dar, die dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Damit sei sie aber auch keine Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, so dass auch der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht für die zeitliche Lage des Abschlussgespräches hatte.

Fazit

Das LAG Nürnberg geht offenbar davon aus, dass es sich bei dem abschließenden Dienstgespräch vom 20.11.2012 noch um einen Teil des Mediationsverfahrens gehandelt hat. Wenn das so ist, dann muss im Ergebnis die Teilnahme an dieser Besprechung natürlich freiwillig sein, und insofern hätte das LAG vielleicht mit seiner Entscheidung sogar Recht.

Wenn es sich dagegen nicht mehr um einen Teil des Mediationsverfahrens gehandelt hat, dann würde die verpflichtende Teilnahme der Musiker an dem Gespräch wohl auch die Lage ihrer Arbeitszeit betreffen, so dass dies mit dem Betriebsrat entsprechend zu vereinbaren wäre.

Das Verfahren zeigt aber auch, wie schwierig Mediationsverfahren in der Praxis noch immer sind und wie viel rechtliche Unklarheit hier besteht. Grundlage jeder Mediation ist deren Freiwilligkeit. Dies ist in § 1 des Mediationsgesetzes ausdrücklich so festgehalten. Das Beispiel zeigt aber, dass zwischen der vom Gesetzgeber beabsichtigten und auch gesetzlich normierten Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens und der faktischen Entscheidungsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien eine große Diskrepanz herrscht. Es steht einem Arbeitnehmer rechtlich frei, eine Mediation abzulehnen, es ist ihm aber praktisch unmöglich, seine Teilnahme an einem vom Arbeitgeber oder einer relativen Mehrheit von Arbeitnehmern gewünschten Mediation abzulehnen, ohne seine Verhandlungs- und Gestaltungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber zu schmälern.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Der Betriebsrat hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht eingelegt, sie ist dort unter dem Aktenzeichen 1 ABR 71/13 anhängig.

(LAG Nürnberg, Beschluss vom 27.08.2013 – 5 TaBV 22/12)