Arbeitsrecht

Geplanter Personalabbau als Geschäftsgeheimnis?

  1. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessensausgleichpflichtiger Personalabbau als solcher und dessen Umfang kann nicht per se zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG deklariert werden.
  2. Etwas anderes gilt nur in Bezug auf einzelne bestimmte Tatsachen, und nur dann, wenn der Arbeitgeber an deren Geheimhaltung ein konkretes sachliches und objektiv berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat.

Was ist passiert?

Der Arbeitgeber, ein Pharmaunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, unterrichtete am 29.08.2014 den Wirtschaftsausschuss und den Betriebsrat darüber, dass er beabsichtige, zum 01.11.2014 den Bereich „Diabetes-Außendienst“ von 285 Stellen auf 0 zu reduzieren. In diesem Zusammenhang erklärte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die übergebenen Unterlagen und mitgeteilten Informationen zu den noch nicht abgeschlossenen Vorüberlegungen zur Restrukturierung des Unternehmens mit möglichem Personalabbau als streng vertrauliche Geschäftsgeheimnisse und erklärte sie „als geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 79 BetrVG“. Den BR-Mitgliedern wurden straf- und haftungsrechtliche Konsequenzen angedroht, sollten sie die Beschäftigten darüber informieren. Begründet wurde die Geheimhaltungsbedürftigkeit wie folgt:

  • Unruhe und Befürchtungen im Unternehmen seien bereits präsent.
  • Schwerwiegende und weitreichende Entscheidung – gemeinsam eine Lösung erarbeiten.
  • Den Mitarbeitern helfen, in dem gemeinsam ein Lösung kommuniziert wird.

Der Betriebsrat sah sich durch diese Erklärung zur Geheimhaltungsbedürftigkeit in seiner Tätigkeit behindert und leitete daraufhin ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht ein, mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass diese Information über den Personalabbau kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG sei.

Das Arbeitsgericht Elmshorn hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben.

Wie hat das LAG entschieden?

Das LAG Schleswig-Holstein hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Ein Arbeitgeber habe kein sachlich begründetes, objektiv berechtigtes Geheimhaltungsinteresse daran, dass ein Betriebsrat generell erst dann kommuniziert, wenn Entscheidungen „konkret ausverhandelt sind“. Er muss nicht vom Beginn der Unterrichtung im Sinne des § 111 Absatz 1 Satz 1 BetrVG bis zum Ende von Interessensausgleichsverhandlungen schweigen. Andernfalls liefe das für den Betriebsrat generell geltende Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit bei Fallkonstellation wie der vorliegenden leer. Zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört es, im Rahmen seiner Zuständigkeit die Belegschaft umfassend und grundlegend zu informieren. Der Betriebsrat muss daher in der Regel ab Beginn der Unterrichtung über konkret geplante Betriebsänderungen mit seinen Wählern und den von ihn vertretenen Arbeitnehmern kommunizieren können. Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn für die Arbeitgeberin ein konkretes, sachlich begründetes, objektiv berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bestehe. Das sei etwa dann der Fall, wenn bestimmte Geschäftsgeheimnisse bezüglich von technischen Produktionsabläufen, Rezepturen oder ähnliches betroffen seien. Die Befürchtung des Arbeitgebers, dass durch die Information Unruhe in der Belegschaft entstehen könne, ist kein rechtfertigender Grund.

Fazit

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein ist überhaupt eine der ersten Entscheidungen zu dieser Problematik. Sie schafft damit für Betriebsräte ein kleines Stück Rechtssicherheit. Es ist für den Betriebsrat oft ein schmaler Grat, ob und in welchem Umfang hier Informationen zu wirtschaftlichen Angelegenheiten an die Belegschaft weitergeben werden können. Wenn wie hier eine gesamte Produktpalette des Unternehmens eingestellt werden soll, und dadurch 285 Arbeitsplätze wegfallen, ist es ein berechtigtes Interesse des Betriebsrates, die betroffenen Mitarbeiter möglichst frühzeitig zu informieren. Sofern der Arbeitgeber also nicht beispielsweise ausdrücklich konkrete Wettbewerbsnachteile zur Begründung seines Geheimhaltungsinteresses ins Feld führt, kann sich zukünftig der Betriebsrat unter Berufung auf die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein sicherlich leichter positionieren. Allein schon deshalb ist diese Entscheidung sehr zu begrüßen.

(LAG Schleswig Holstein, Beschluss vom 20.05.2015 – 3 TaBV 35/14)