Arbeitsrecht

Pflicht zur Urlaubsgewährung?

Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, ohne Urlaubsantrag dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr Urlaub zu gewähren. Mit Ablauf des Kalenderjahres erlischt daher der Urlaubsanspruch, sofern kein Übertragungstatbestand vorliegt.

Was ist passiert?

Die Klägerin war von Dezember 2009 bis zum 28.02.2014 bei der Beklagten als Pfle­ge­dienst­lei­te­rin beschäftig. Nachdem das Arbeitsverhältnis beendet war, machte die Klägerin eine Abgeltung für 35 Urlaubstage geltend. Sie habe wegen des hohen Arbeitsanfalls im gesamten Jahr 2013 keinen Urlaub nehmen können.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Urlaub sei für das Jahr 2013 am 31.12. des Jahres verfallen. Vom 13. bis 31.05.2013 sei für die Klägerin Urlaub vorgesehen ge­we­sen, diesen haben sie aber nicht genommen, sondern sich noch nachträglich für die Frühschicht eingetragen.

Das Arbeitsgericht Lübeck hat die Klage abgewiesen.

Wie hat das LAG entschieden?

Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nach § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz setzt die Gewährung des Urlaubs voraus, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Das wiederum ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zuvor einen Urlaubsantrag gestellt hat.

Auch aus Sicht des Gesundheitsschutzes ergeben sich keine anderen Beurteilungen. Ansonsten würde der Arbeitnehmer von der Stellung rechtzeitiger Urlaubsanträge abgehalten, da er beliebig Urlaubstage häufen könne. Das Hinausschieben der Urlaubsgewährung dient gerade nicht dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers, der nur verwirklicht wird, wenn der Urlaub auch tatsächlich genommen wird.

Fazit

Mit der Entscheidung weicht das LAG Schleswig-Holstein von einem Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2014 ab. Das LAG Berlin-Brandenburg war entgegen der Auffassung des LAG Schleswig-Holstein nämlich der Auffassung, dass der Arbeitgeber von sich aus gehalten sei, den Urlaub zu gewähren, auch wenn kein Urlaubsantrag gestellt wird. Dennoch hat das LAG Schleswig-Holstein die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Beide Entscheidungen überzeugen mich nicht vollständig in ihrer Argumentation. Dem LAG Berlin-Brandenburg ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn es aus Gründen des Gesundheitsschutzes den Arbeitgeber für verpflichtet hält, den Urlaub zu gewähren. Gerade Mitarbeiter, die sich für unverzichtbar halten oder sonst wie als "Workaholic" auffallen, sollten durch eine rechtzeitige Urlaubgewährung geschützt werden. Dies birgt aber unter Umständen auch die Gefahr, dass Arbeitgeber Mitarbeitern schon früh im Jahr den Urlaub „aufzwingen“ können. Das darf aber auch nicht der Fall sein. Umgekehrt ist aber gerade der Gesundheitsschutz auch so wichtig, dass ein Arbeitgeber nicht tatenlos zusehen darf, wie ein Arbeitnehmer sich abrackert und dann nicht einmal mehr den Urlaubsanspruch hat.

Da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Urlaub nicht automatisch auf das nächste Quartal des Folgejahres übertragen wird, sind Arbeitnehmer auf jeden Fall gut beraten ihre Urlaubsansprüche spätestens im November des Jahres entweder geltend zu machen oder einen Antrag auf Übertragung in das Folgejahr zu stellen. Nur so ist man vor bösen Überraschungen sicher.

(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.02.2016 – 1 SA 321/15)