Arbeitsrecht

Teilnahme an einem Personalgespräch bei Arbeitsunfähigkeit

Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann.

Was ist passiert?

Der arbeitsunfähig erkrankte Kläger war mit zwei Schreiben des beklagten Krankenhauses aufgefordert worden, zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit zu einem Gespräch in den Betrieb zu kommen. Nachdem der Kläger dies unter Hinweis auf seine bestehende Arbeitsunfähigkeit abgelehnt hat, erteilte ihm die Klinik eine Abmahnung. Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer deren Entfernung.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat der Klage natürlich stattgegeben. Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitgeber kein Weisungsrecht gemäß § 106 GewO, soweit es Pflichten betrifft, von deren Erfüllung der Arbeitnehmer krankheitsbedingt befreit ist. Dazu zählen die Arbeitspflicht als Hauptleistungspflicht sowie die unmittelbar damit zusammenhängenden Nebenleistungspflichten.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf die sonstigen leistungssichernden Neben- oder Verhaltenspflichten aus § 241 Abs. 1 BGB und die gemäß § 241 Abs. 2 BGB bestehende Rücksichtnahmeverpflichtung bleiben dagegen von einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich unberührt. Das heißt, die Verpflichtung eines Arbeitnehmers Schaden von der Firma abzuwenden, besteht auch im Rahmen einer Arbeitsunfähigkeit.

Wegen der latenten Gefahr einer Beeinträchtigung des Genesungsprozesses und einer dadurch bedingten Verlängerung des krankheitsbedingten Ausfalls der Arbeitsleistung gebietet es die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB dem Arbeitgeber aber auch, die Erteilung von derartigen Weisungen auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken und sich bezüglich der Art und Weise der Häufigkeit und der Dauer der Inanspruchnahme am wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers zu orientieren. So darf ein Arbeitgeber auch während einer Erkrankung den Arbeitnehmer etwa anweisen, mit ihm ein kurzes Personalgespräch zu führen, wenn der Arbeitnehmer über wichtige Informationen zu wichtigen betrieblichen Abläufen oder Vorgängen verfügt, ohne deren Weitergabe dem Arbeitgeber die Fortführung der Geschäfte erheblich erschwert oder gar unmöglich würde. Das war aber hier nicht der Fall. Ein Gespräch über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hätte genauso gut auch nach Ende der Krankheit stattfinden können.

Fazit

Das BAG nimmt die Entscheidung zum Anlass, sehr anschaulich zwischen den Haupt- und Nebenleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Wenn also zum Beispiel ein wichtiges Password fehlt, kann der Arbeitgeber auch während einer Erkrankung mit dem Arbeitnehmer Kontakt aufnehmen.um danach zu fragen. Ein Arbeitnehmer kann nicht per se und ausnahmslos jeden Kontakt während einer Arbeitsunfähigkeit ablehnen. Allerdings müssen sich derartige Kontakte auf wirklich dringende betriebliche Angelegenheiten beschränken. Alles andere muss ein Arbeitnehmer nicht beachten. Insoweit schafft die Entscheidung ein wenig mehr Klarheit.

(BAG, Urteil vom 02.11.2016 – 10 AZR 596/15)