Arbeitsrecht

übertragung tariflichen Mehrurlaubs-Gleichlauf

Der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehende (tarifvertragliche) Urlaubsanspruch verfällt spätestens zum 31.03. des Folgejahres, wenn die Tarifvertragsparteien ein vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes, eigenständiges Fristenregime für den Urlaub vereinbaren.

Was ist passiert?

Der Kläger war ab dem 13.10.2014 durchgehend bis einschließlich 07.04.2015 arbeitsunfähig krank. Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien die Anwendung des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier-, Pappe- und Kunststoffe verarbeitenden Industrie in der jeweils gültigen Fassung. § 15 des Tarifvertrages lautet auszugsweise:

§ 15 Urlaub, Urlaubsgeld

  1. Allgemeine Urlaubsbestimmungen
    1. Der Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. …
    2. Der Urlaub muss im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Urlaubsjahr ist nur ausnahmsweise statthaft. Urlaubsansprüche erlöschen, wenn sie nicht bis zum 31.03. des folgenden Jahres geltend gemacht sind.
  2. Urlaubsdauer
    1. Der tarifliche Jahresurlaub aller Arbeitnehmer einschließlich der Jugendlichen beträgt 30 Urlaubstage …

Im Jahr 2014 gewährte die Arbeitgeberin dem Kläger insgesamt 19 Urlaubstage. Nachdem der Kläger wieder genesen war, gewährte ihm die beklagte Arbeitgeberin für 2014 noch einen Tag gesetzlichen Urlaub, die darüberhinausgehenden 10 Urlaubstage aus dem Tarifvertrag gewährte die Arbeitgeberin dem Kläger nicht mehr.

Das Arbeitsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage auf Gewährung von 10 Tagen Resturlaub für 2014 stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Arbeitgeberin das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Wie hat das BAG entschieden?

Auch das Bundesarbeitsgericht hat der Klage nicht stattgegeben.

Der aus dem Jahr 2014 stammende Urlaub hätte – soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft – unbeschadet des Umstandes, dass der gesetzliche Übertragungszeitraum grundsätzlich am 31.03.2015 endete (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) fortbestanden. Aufgrund der EU-Arbeitszeitrichtlinie ist allerdings § 7 Abs. 3 BUrlG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass der gesetzliche Mindesturlaub nicht vor Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank gewesen ist.

Der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehende tarifvertragliche Urlaubsanspruch von (hier weiteren 10) Urlaubstagen verfällt dagegen nach der Rechtsprechung des BAG nach wie vor spätestens zum 31.03. des Folgejahres, wenn der Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag für die Urlaubsregelung eine von der gesetzlichen Regelung des Bundesurlaubsgesetzes abweichende Fristenregelung treffen. So sei es hier gewesen. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages muss der Urlaub im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen werden und erlischt, wenn er nicht bis zum 31.03. des folgenden Jahres geltend gemacht worden ist. Daraus werde der Wille der Tarifvertragsparteien deutlich, der Arbeitnehmer könne seinen Urlaub ohne besondere Gründe vom 01. Januar eines Kalenderjahres bis zum 31.03. des Folgejahres geltend machen. Nach § 15 des Tarifvertrags ist eine Übertragung auf das Folgejahr zwar nur ausnahmsweise statthaft. Der MTV enthält aber keine Kriterien, wann ein solcher Ausnahmefall vorliegen soll. Es handelt sich daher lediglich um eine rechtsfolgenlose Aufforderung „Tarifunterworfenen“, den Urlaub im Regelfall im Kalenderjahr zu nehmen und zu gewähren. Damit weicht der Manteltarifvertrag von der Fristenregelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG ab. Danach geht der nicht genommene Urlaub grundsätzlich am 31.12. des laufenden Kalenderjahres unter und wird nur bei Vorliegen der gesetzlichen Übertragungsgründe bis zum 31.03. des Folgejahres übertragen. Die tarifliche Regelung unterscheide sich deshalb vom BUrlG, so dass hier also der tarifliche Urlaubsanspruch anders zu behandeln ist als der gesetzliche Urlaubsanspruch. Deshalb hat das BAG hier die weiteren 10 Urlaubstage als verfallen angesehen.

Fazit

Das BAG präzisiert damit seine schon bestehende Rechtsprechung und schränkt die längere übertragbarkeit des einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbarten zusätzlichen Urlaubsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit weiter ein. Wenn also Arbeitsvertrag und/oder Tarifvertrag auch nur geringfügig vom Wortlaut des BUrlG abweichen, verfällt der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsanspruch spätestens zum 31.03. des Folgejahres. Nur dann, wenn der Mehrurlaub keiner weiteren besonderen Vereinbarung unterliegt und nur die gesetzliche Mindesturlaubsdauer erhöht wird, kann auch der darüber hinausgehende Anspruch unter Umständen noch 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres geltend gemacht werden.

(BAG, Urteil vom 14.02.2017 – 9 AZR 207/16)