Arbeitsrecht

Keine Verpflichtung der Betriebsratsvorsitzenden zur Beratung von Tagesordnungspunkten in der jeweiligen Betriebsratssitzung

Einzelne Betriebsratsmitglieder haben keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, nach der die Betriebsratsvorsitzende verpflichtet ist, von ihr nach § 29 Abs. 3 BetrVG auf die Tagesordnung gesetzte Tagesordnungspunkte zu beraten und im Nachgang hieran den Betriebsrat über den beantragten Tagesordnungspunkt abstimmen zu lassen. Ein derartiges Recht steht dem Betriebsrat als Gremium zu. Allenfalls können im Rahmen des § 29 Abs. 3 BetrVG einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats die dort genannten Rechte zustehen.

Was ist passiert?

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Betriebsratsvorsitzende verpflichtet ist, Tagesordnungspunkte, die nach § 29 Abs. 3 BetrVG auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, in der jeweiligen Betriebsratssitzung zu beraten und im Nachgang den Betriebsrat hierüber abstimmen zu lassen.

Die Antragsteller sind 4 Betriebsratsmitglieder des Gemeinschaftsbetriebsrats, der aus 39 Mitgliedern besteht. Sie tragen vor, dass sich der Gemeinschaftsbetriebsrat weder in der Sitzung am 7. Januar 2016, noch in den Betriebsratssitzungen vom 14. und 28.Januar 2016 mit von einem Quorum nach 29 Abs. 3 BetrVG zur Tagesordnung beantragten Punkten befasst und sich inhaltlich damit auseinandergesetzt habe.

Die Antragsteller beantragen,

  1. die BR-Vorsitzende zu verpflichten, Tagesordnungspunkte, welche von dieser aufgrund der Vorschrift des § 29 Abs. 3 BetrVG auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, in der jeweiligen Betriebsratssitzung zu beraten und im Nachgang hieran den Betriebsrat über den beantragten Tagesordnungspunkt abstimmen zu lassen;
  2. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu 1. gegen die BR-Vorsitzende ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 100.000 € – ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen.

Wie hat das LAG entschieden?

Die Beschwerde der vier Antragsteller hatte keinen Erfolg.

Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter nur insoweit antragsbefugt, als er eigene Rechte geltend macht. Einzelne Mitglieder des Betriebsrats können gegenüber dem Betriebsrat weder die Unwirksamkeit eines Beschlusses noch die Rechtswidrigkeit von Handlungen unabhängig von einem Eingriff in eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend machen. Im Rahmen einer sog. Binnenstreitigkeit zwischen dem Betriebsrat und einzelnen seiner Mitglieder streiten die Beteiligten nicht über Individualrechte, sondern über Kompetenzen und Rechte, die dem Betriebsrat als Gremium oder einzelnen Betriebsratsmitgliedern kraft Gesetzes zugewiesen sind. Das gilt auch für die Beschlussfassung des Betriebsrats. Daher ist ein einzelnes Mitglied daran gehindert, die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses durch die Sitzungsleitung im Beschlussverfahren überprüfen zu lassen oder ein bestimmtes Abstimmungsverfahren bei der Beschlussfassung des Betriebsrats zu fordern, sofern es sich nicht auf die Verletzung eigener mitgliedschaftlicher Rechte berufen kann (BAG 7.6.2016 – BAG 1 ABR 30/14).

Danach haben einzelne Betriebsratsmitglieder keine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition, nach der die Betriebsratsvorsitzende verpflichtet ist, von ihr nach § 29 Abs. 3 BetrVG auf die Tagesordnung gesetzte Tagesordnungspunkte zu beraten und im Nachgang hieran den Betriebsrat über den beantragten Tagesordnungspunkt abstimmen zu lassen. Ein derartiges Recht steht dem Betriebsrat als Gremium zu. Allenfalls können einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats die dort genannten Rechte zustehen. Da der Betriebsrat aus 39 Mitgliedern besteht, ist dieses Quorum bei nur vier Antragstellern hier nicht erreicht.

Fazit

Die Entscheidung ist eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung des BAG.

Ebenso wie das BetrVG oder das ArbGG dem einzelnen Betriebsratsmitglied kein abstraktes inhaltliches Normenkontrollrecht für vom Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarungen einräumt (BAG 29. April 2015 – 7 ABR 102/12 – Rn. 18), kann es nicht ohne Betroffenheit in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition in der Sache die Feststellung der Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Entscheidungen des Betriebsrats verlangen. Das gilt auch für die Beschlussfassung des Betriebsrats. Daher ist ein einzelnes Mitglied daran gehindert, die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses durch die Sitzungsleitung im Beschlussverfahren überprüfen zu lassen oder ein bestimmtes Abstimmungsverfahren bei der Beschlussfassung des Betriebsrats zu fordern, sofern es sich nicht auf die Verletzung eigener mitgliedschaftlicher Rechte berufen kann. Das mag im Einzelfall schmerzhaft sein, ist aber im Ergebnis zu begrüßen.

(LAG Hessen, Beschluss v. 31.07.2017 – 16 TaBV 221/16)