Arbeitsrecht

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung?

  1. Eine von der Konzernleitung beschlossene sowie von ihr umgesetzte anonyme und in der Teilnahme freiwillige Befragung der Arbeitnehmer konzernangehöriger Unternehmen auf der Grundlage eines in Papierform versandten Standardfragebogens u.a. zu den Themen „Ihre Arbeitsumgebung“ und „Ihre Arbeitsbedingungen“ ist weder eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes noch ein zustimmungspflichtiger Personalfragebogen.
  2. Der örtliche Betriebsrat eines konzernangehörigen Unternehmens kann von diesem weder aus betriebsverfassungsrechtlichen noch aus datenschutzrechtlichen Gründen verlangen, die Konzernobergesellschaft anzuweisen, die Mitarbeiterbefragung im Konzernunternehmen zu unterlassen. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

Was ist passiert?

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des örtlichen BR bei einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung. Die Befragung wurde mittels standardisierten Fragebögen in Papierform mit Hilfe eines externen Dienstleisters durchgeführt. Die Fragebögen wurden an die Privatadressen der Mitarbeiter versendet und nach Beantwortung anonym an den externen Dienstleister zurückgesendet und von diesem ausgewertet.

Hierzu war vom Geschäftsbereich Qualitätsmanagement und klinisches Prozessmanagement ua. mitgeteilt:

„Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nicht möglich. Die Auswertung findet nur in zusammengefasster Form statt. So sind auch keine Rückschlüsse auf Gruppen mit weniger als zehn Personen möglich. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Fragebögen verbleiben beim P. Drei Monate nach Berichterstellung werden die Fragebögen vernichtet. Das [Universitätsklinikum] hat keinerlei Möglichkeit die Fragebögen zu sichten. Die Rohdaten liegen dem [Universitätsklinikum] nicht vor.

Mit der Befragung sollen insbesondere folgende Ziele verfolgt werden:

  1. Intern: Die Befragung soll zeigen, ob umgesetzte Maßnahmen aus der Vorgängerbefragung 2012 sowie Angebote aus dem Bereich … Veränderungen der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach sich gezogen haben.
  2. Intern: Die Befragung soll Handlungsbedarfe insb. auf folgende Perspektiven hin identifizieren um ggf. Verbesserungsmaßnahmen ableiten zu können:
    • Führungs- und Unternehmenskultur bzw. Verhältnis zu direkten Vorgesetzten
    • Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit…
    • Betriebliches Gesundheitsmanagement…
    • (Interdisziplinäre/Interprofessionelle) Zusammenarbeit
    • Bedingungen der Patientenversorgung
  3. Extern: Die Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbefragung soll außerdem als Chance genutzt werden das [Universitätsklinikum] als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren.

Ein örtlicher Betriebsrat machte die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte geltend und setzte vor dem ArbG und dem LAG erfolgreich die Unterlassung der Mitarbeiterbefragung durch.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin war erfolgreich. Die Mitarbeiterbefragung unterliege weder einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 7 BetrVG i.V.m. §§ 3, 5 ArbSchG, noch handele es sich um einen mitbestimmungspflichtigen Personalbogen nach § 94 I 1 BetrVG. Der Betriebsrat habe zwar dem Grunde nach ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 7 BetrVG bei einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts sei allerdings, wie der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung organisiere und durchführe. Eine Gefährdungsbeurteilung diene der Überprüfung, ob und ggf. welche Gefährdungen für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbunden seien und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich seien. Einer solchen Analyse der möglichen Gefährdung genüge die Mitarbeiterbefragung nicht. Sie lasse wegen der Freiwilligkeit der Teilnahme, der Anonymität und wegen des Konzernbezugs keine ortsgebundene arbeitsplatz-, tätigkeit- oder arbeitsbereichsbezogene Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb des örtlichen Betriebsrats zu. Für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 I 1 ArbSchG fehle es am Vorliegen einer Gefährdung, die entweder feststehe oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sei. Die Mitarbeiterbefragung sei auch keine Maßnahme das Arbeitsschutzes i.S.v. § 3 I 1 ArbSchG.

Schließlich handele es sich bei dem verwendeten Fragebogen nicht um einen nach § 94 I 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Personalfragebogen. Die Beteiligung des Betriebsrats bei Personalfragebögen diene dem präventiven Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer, soweit diese durch Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten beeinträchtigt werden können. Eine solche Beeinträchtigung scheide vorliegend /ndash; ungeachtet der Frage einer ausreichenden Anonymisierung der Befragung – schon deshalb aus, weil die Teilnahme freiwillig ausgestaltet sei und es damit am Arbeitnehmer liege, ob und in welchem Umfang er die gestellten Fragen beantworte oder nicht.

Fazit

Die Entscheidung überzeugt im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung nicht. Soweit das BAG ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG verneint, weil die Befragung nicht der Analyse der möglichen Gefährdung dienen könne, übersieht das BAG hier, dass auch schon die Ermittlung von Gefährdungen Teil des Mitbestimmungsrechts des BR ist.

Auch das Argument der Freiwilligkeit überzeugt nicht. Für die Frage des Mitbestimmungsrechts des BR kann es nicht darauf ankommen, ob die Teilnahme an der Umfrage freiwillig ist, denn auch wenn der BR eine entsprechende Umfrage starten würde, wäre die Teilnahme freiwillig.

(BAG, Beschluss vom 21.11.2017 – 1 ABR 47/16)