Arbeitsrecht

Ordnungsgemäße Beschlussfassung des BR – Wann ist ein Mitglied verhindert?

Liegt ein Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht vor, hat das betroffene Betriebsratsmitglied unter Wahrung der von ihm eingegangenen Verpflichtung zur gewissenhaften Amtsführung darüber zu entscheiden, welchen Pflichten es den Vorrang einräumt. Entscheidet es sich dafür, die Arbeitsleistung zu erbringen, ist vom Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG regelmäßig davon auszugehen, dass ein Verhinderungsfall gegeben und damit ein Ersatzmitglied zu laden ist.

Was ist passiert?

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Kostenerstattung für die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an einer einwöchigen Betriebsratsschulung. Die Arbeitgeberseite bestreitet die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über die Endsendung des Vorsitzenden. An den entscheidenden Betriebsratssitzungen nahmen jeweils nur sieben von insgesamt neun Betriebsratsmitgliedern teil. Die beiden fehlenden Betriebsratsmitglieder hatten sich vor der Sitzung gegenüber dem Vorsitzenden mit einem erhöhten Arbeitsaufkommen entschuldigt. Der Vorsitzende sah darin keine zeitweilige Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Deshalb hat er auch keine Ersatzmitglieder nach § 29 BetrVG für die beiden fehlenden Betriebsräte eingeladen.

Die Arbeitgeberseite weigert sich nun, den Betriebsrat von den Kosten der Seminarteilnahme wegen des fehlerhaften Beschlusses freizustellen.

Wie hat das LAG entschieden?

Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht blieb der Antrag des Betriebsrats leider erfolglos. Das LAG Hamm war in der Tat der Auffassung, dass ein Betriebsratsmitglied auch dann verhindert im Sinne des § 25 BetrVG sei, wenn es sich entscheidet, statt an der Betriebsratssitzung teilzunehmen lieber zu arbeiten. Regelmäßig liegt in einem solchen Fall ein Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht vor. Diesen Konflikt hat das betroffene Betriebsratsmitglied für sich selbst zu entscheiden. Entscheidet es sich dafür, die Arbeit zu erbringen, ist vom Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen des § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG regelmäßig davon auszugehen, dass ein Verhinderungsfall gegeben ist. Nur wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des jeweiligen Betriebsratsmitgliedes vorliegen, kann Veranlassung bestehen, den angegebenen Hinderungsgrund nachzuprüfen und ggf. auf die Ladung eines Ersatzmitglieds zu verzichten.

Fazit

Die Entscheidung macht es für den Betriebsrat nicht wirklich einfacher, sich richtig zu entscheiden. Entschuldigt sich ein Betriebsratsmitglied zukünftig für die Teilnahme an einer Sitzung mit dem Argument, es habe zu viel Arbeit, wird der Betriebsrat im Zweifel jetzt einen Verhinderungsfall annehmen und ein Ersatzmitglied einladen müssen. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das geladene Mitglied einfach keine Lust hat zur Betriebsratssitzung zu kommen, wird man wohl ausnahmsweise davon ausgehen müssen, dass in diesem Fall kein Verhinderungsgrund vorliegt.

Die Entscheidung ist zweischneidig. Sie gibt auf der einen Seite Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit einen erwarteten Konflikt mit dem Arbeitgeber aus dem Weg zu gehen und tatsächlich lieber zu arbeiten als an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen. Positiv ist auch, dass dadurch Ersatzmitglieder leichter in die Betriebsratsarbeit mit eingebunden werden können (und dadurch auch unter Umständen einen verbesserten Kündigungsschutz erhalten).

Andererseits hilft die Entscheidung auch Betriebsratsmitgliedern, sich vor dem manchmal auch unbequemen Amt des Betriebsrates zu drücken und Arbeit als Verhinderungsgrund vorzuschieben.

(LAG Hamm, Beschluss vom 08.12.2017 – 13 TaBV 72/17)