Arbeitsrecht

Keine zeitliche Begrenzung der Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten

Die Annahme, dass für eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht mehr zu berücksichtigen ist, wenn sie länger als 3 Jahre zurückliege, überschreitet die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dies klar erkennbar nicht wollte.

Was ist passiert?

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine wirksame Befristung des Arbeitsvertrages ohne einen sachlichen Grund dann nicht mehr möglich, wenn mit demselben Arbeitgeber zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (die deshalb sogenannte Zuvorbeschäftigung).

Das Bundesarbeitsgericht hatte erstmals in seiner Entscheidung vom 06.April 2011 – 7 AZR 716/09 – seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit von sachgrundlosen Befristungen geändert und ging seit dem davon aus, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses dann nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mehr als 3 Jahre zurückliegt. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BAG hatte das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 30.01.2014 – 5 Sa 1/13 – eine Entfristungsklage zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde mit Beschluss des BAG vom 30.04.2014 – 7 AZN 119/14 – zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger des Ausgangsverfahrens Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Wie hat das BVerfG entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LAG Nürnberg zurückverwiesen.

Das LAG habe sich in unzulässiger Weise von der gesetzgeberischen Grundentscheidung gelöst und diese durch ein eigenes Regelungsmodell, das der Gesetzgeber erkennbar nicht wollte, ersetzt. Damit sind die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung durch die Gerichte überschritten.

Allerdings steht nicht jede Vorbeschäftigung bei einer erneuten Einstellung einer sachgrundlosen Befristung entgegen. Unzumutbar sei ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. In solchen Fällen können die Fachgerichte den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Einzelfall einschränken.

Fazit

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung den 7. Senat des BAG gehörig in seine Schranken verwiesen. Deshalb wird das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Nichtberücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten, die länger als 3 Jahre zurückliegen, nicht aufrechterhalten können, das ist zunächst einmal sehr zu begrüßen.

Das Bundesverfassungsgericht sieht aber auch sehr deutlich, dass damit unter Umständen ein Einstellungshindernis gegeben ist. Denn Bewerber, die bisher noch nicht bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren, können somit leichter befristet eingestellt werden, als die Mitarbeiter, die schon einmal beschäftigt waren. Da in vielen Bereichen und Branchen die befristete Einstellung über 2 Jahre schon beinahe zum Regelfall geworden ist, ist hier Vorsicht geboten.

Die Entscheidung zeigt, wie schwierig es ist, das Fass der sachgrundlosen Befristung wieder zu schließen und die Auswüchse einzufangen. Der Gesetzgeber ist hier gefordert, über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus verlässliche Regeln zu schaffen, die eingehalten werden können.

(BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 – 1 BVL 7/17 und 1 BVR 1375/14)