Arbeitsrecht

Personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhen. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert. Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen – etwa Erkältungen – ausgeheilt sind.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten. Die 1959 geborene Klägerin nahm am 28.05.2014 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Betreuungsassistentin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden auf. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Pflegeheim für schwerbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Die Klägerin war von Anfang an wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, insbesondere an diversen Erkältungskrankheiten. Im Jahr 2014 waren es vier Erkrankungen zwischen 2 und 8 Tagen, insgesamt 20 Tage. Im Jahr 2015 steigerte sich die Zahl auf 11 Arbeitsunfähigkeitszeiträume mit insgesamt 88 Tagen. Es folgten weitere 51 Tage im Zeitraum bis August 2016.

Die Arbeitsgeberin führte 2015 zweimal ein Betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Im Mai 2015 und erneut im April 2016 zeigten mehrere Mitarbeiter in einem gemeinsamen Brief ihre Überlastung an aufgrund von unbesetzten Stellen sowie krankheits- und urlaubsbedingten Personalausfällen. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus personenbedingten Gründen zum 30.09.2016.

Wie haben die Gerichte entschieden?

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass angesichts der umfangreichen und in der Tendenz zunehmenden Fehlzeiten der Klägerin von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen sei. Zwar mögen die einzelnen Erkältungskrankheiten jeweils ausgeheilt sein. Die Klägerin sei jedoch für solche Krankheiten besonders anfällig, weshalb auch zukünftig erhebliche Ausfallzeiten zu erwarten seien. Sie habe nicht dargelegt, dass ihre ärztin die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt hätten. Die wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen durch die häufigen Kurzerkrankungen der Klägerin seien erheblich. Zum einen habe die Beklagte in rund zwei Jahren etwa € 8.600,- an Entgeltfortzahlungskosten aufbringen müssen. Zum anderen lasse sich ein Ausfall der Klägerin aufgrund der besonderen Aufgabenstellung im Heim praktisch nicht kompensieren. Bei der Interessenabwägung sei zugunsten der Klägerin die altersbedingt eingeschränkte Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Dennoch überwiege das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da es nur um eine kurze Beschäftigungszeit gehe, die Krankheiten bereits von Beginn des Arbeitsverhältnisses an aufgetreten seien und ein Zusammenhang der Erkrankungen mit der Tätigkeit im Betrieb nicht ersichtlich sei.

Das LAG betonte zusätzlich, dass die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten führen würden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, eine Personalreserve vorzuhalten, um überdurchschnittliche Fehlzeiten aufzufangen. Ein Austausch des Betreuungspersonals ist im Interesse der Pflegebedürftigen grundsätzlich auf das unabdingbar notwendige Mindestmaß zu beschränken. Für eine fachgerechte und nachhaltige Betreuung sind Kenntnisse über den Pflegebedürftigen und seine Behinderung bzw. Behinderungen ebenso notwendig wie der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Das gilt auch für die Betreuungsassistenten, die bei der Freizeitgestaltung auf die Möglichkeiten, Bedürfnisse und Wünsche der Heimbewohner eingehen müssen, um diese entsprechend dem gesetzlichen Auftrag aktivieren zu können.

Angesichts des nur kurzzeitigen Arbeitsverhältnisses und der bereits von Anfang an aufgetretenen Störungen durch Fehlzeiten hat das Interesse der Klägerin an einem Erhalt ihrer Einkommensgrundlage zurückzutreten. Das höhere Lebensalter der Klägerin und die damit verbundenen Schwierigkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden, überwiegen nicht das Interesse der Beklagten an einer kontinuierlichen und möglichst geregelten Betreuung der pflegebedürftigen Heimbewohner. Eine weniger belastende Maßnahme als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht nicht zur Verfügung, nachdem die Beklagte zweimal ein Betriebliches Eingliederungsmanagement mit der Klägerin durchgeführt hat, bei dem sich keine Möglichkeiten ergeben haben, die Fehlzeiten zu verringern.

Fazit

Die Entscheidung zeigt sehr anschaulich das Dilemma bei krankheitsbedingten Kündigungen. Dabei kann man dem Arbeitgeber nicht einmal vorwerfen, hier nicht viel versucht (zweifaches BEM) und Geduld gezeigt zu haben. Interessant wäre die Frage, ob die Entscheidung genauso ausgefallen wäre, wenn die Mitarbeiter nicht auch zwei Überlastungsanzeigen gemacht hätten. Mir scheint, dass diese Anzeigen im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen der Erkrankung und der Interessenabwägung unausgesprochen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.

Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack. Mit der gleichen Begründung ließen sich auch die Kündigungen von chronisch kranken Menschen (zum Beispiel Allergikern) leichter begründen.

(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.11.2017 – 5 Sa 54/17)