Arbeitsrecht

Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitarbeit

Eine Regelung in einem Tarifvertrag kann im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG dahin auszulegen sein, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet.

Was ist passiert?

Die Klägerin ist bei der Beklagten als stellvertretende Filialleiterin in Teilzeit tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Systemgastronomie Anwendung. Er regelt u.a. Mehrarbeitszuschläge und erlaubt es, wie im Fall der Klägerin eine Jahresarbeitszeit festzulegen. Für den nach Ablauf des Zwölfmonatszeitraums bestehenden Zeitsaldo hat die Beklagte die Grundvergütung geleistet. Sie hat dagegen keine Mehrarbeitszuschläge gewährt, weil die Arbeitszeit der Klägerin nicht die einer Vollzeittätigkeit überschritt. Die Klägerin verlangt Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausging.

Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat mit Blick auf die Mehrarbeitszuschläge keinen Erfolg. Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Diese Auslegung entspricht höherrangigem Recht. Sie ist mit § 4 Abs. 1 TzBfG vereinbar. Zu vergleichen sind die einzelnen Entgeltbestandteile, nicht die Gesamtvergütung. Teilzeitbeschäftigte würden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. Der Zehnte Senat gibt seine gegenläufige Ansicht auf (BAG, 26.04.17 – 10 AZR 589/15 –). Er schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats an (BAG, 23.03.17 – 6 AZR 161/16 – BAGE 158, 360).

Fazit

Mit dieser Entscheidung ist hoffentlich ein Schlusspunkt unter eine lang andauernde und kontrovers geführte Diskussion gesetzt. Wenn in einem Betrieb Vollzeitbeschäftigte einen – in der Regel tariflichen – Anspruch auf einen Zuschlag bei Mehrarbeit haben, weil sie ihre individuelle Arbeitszeit überschritten haben, dann steht Teilzeitbeschäftigten bei Überschreitung ihrer individuellen Arbeitszeit dieser Zuschlag auch dann zu, wenn sie dabei die regelmäßige Vollzeitarbeit noch nicht überschreiten. Das gilt allerdings nur dann, wenn der zugrundeliegende Tarifvertrag keine ausdrückliche andere Regelung getroffen hat. Es gibt durchaus Tarifverträge, die auch für Teilzeitbeschäftigte einen Überstundenzuschlag erst dann vorsehen, wenn sie die regelmäßige Vollzeitarbeit überschreiten. Für diese Tarifverträge gilt die Entscheidung nicht, denn über die Frage, ob durch einen Tarifvertrag unterschiedliche Voraussetzungen für einen Mehrarbeitszuschlag geregelt werden können, musste das BAG hier nicht entscheiden. Gesetzlich ist ohnehin kein Mehrarbeitszuschlag geschuldet, weder für Teilzeit- noch für Vollzeitbeschäftigte.

(BAG, Urteil vom 19.12.2018 – 10 AZR 231/18)
(Quelle: Pressemitteilung 70/18 des BAG)