Arbeitsrecht

Anspruch des Betriebsrats auf Einsichtnahme in Gehaltslisten – nicht anonymisiert

  1. Die Listen über die Brutto-Löhne und -Gehälter müssen dem Betriebsausschuss nicht anonymisiert zur Einsichtnahme bereitgestellt werden.
  2. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG n.F. erlaubt ausdrücklich die Datenverarbeitung zum Zwecke der Ausübung von Rechten der Interessensvertretung der Beschäftigten und stellt damit das Einsichtnahme Recht des Betriebsausschusses nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf eine rechtssichere Grundlage.
  3. Durch das Entgelttransparenzgesetz wird das Einsichtnahme Recht des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erweitert, der Arbeitgeber hat nicht nur vorhandene Listen zur Verfügung zu stellen, sondern diese auch nach Geschlecht aufzuschlüsseln und so aufzubereiten, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seines Einblickrechts seine Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen kann.

Was ist passiert?

Der Betriebsrat einer Reha-Klinik mit 370 Mitarbeitern verlangte Einsicht in die Brutto-Entgeltlisten der dort beschäftigten Arbeitnehmer. Nach einem langen Hin und Her wurden dem Betriebsausschuss schließlich Listen für den Monat Juli 2016 mit Entgeltangaben vorgelegt, die jedoch weder die Namen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, noch deren Geburtsdaten und deren betriebliche Personalnummern enthielten. Die Arbeitgeberin bestritt, dass dem Betriebsrat ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Gehaltslisten in nicht anonymisierter Form zustehe und berief sich unter anderem auf das Datenschutzrecht.

Das daraufhin vom Betriebsrat eingeleitete Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Magdeburg war erfolgreich. Der Arbeitgeber wurde verpflichtet, dem Betriebsausschuss Einsichtnahme in die Brutto-Entgeltlisten sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebes mit Ausnahme der leitenden Angestellten zu gewähren, dabei die Brutto-Entgelte hinsichtlich aller Lohnbestandteile unabhängig von ihrem individuellen oder kollektiven Charakter aufzuschlüsseln und die Aufschlüsselung zumindest auf folgende Angaben zu erstrecken:

  • Nachname und Vorname der Arbeitnehmer
  • Geburtsdaten der Arbeitnehmer sowie
  • Personalnummer der Arbeitnehmer

Gegen den Beschluss hat die Arbeitgeberin Beschwerde zum Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt erhoben.

Wie hat das LAG entschieden?

Es hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Der Betriebsrat hat darüber zu wachen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Diese Aufgabe kann der Betriebsrat nicht erfüllen, wenn eine Zuordnung der in der Liste enthaltenen Angaben zu einem konkreten Beschäftigten mangels Angaben von Namen und Vornamen nicht möglich ist.

Auch der Datenschutz steht nicht entgegen. Mit der Neufassung von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG wurde die Datenverarbeitung und -übermittlung an die jeweilige Interessenvertretung auf eine rechtssichere Grundlage gestellt. Weder aus den Erwägungen noch aus dem Wortlaut der Europäischen Datenschutzgrundverordnung ist eine abweichende Beurteilung erforderlich. Artikel 6 Abs. 1c) DSGVO definiert, dass eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der für Datenverarbeitung Verantwortliche unterliegt. Gemäß der in Artikel 4 Ziffer 2 DSGVO erfolgten Begriffsbestimmung ist mit „Verarbeitung“ jeder mit und ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten erfasst. Damit ist auch der Betriebsrat Verantwortlicher im Sinne des Artikel 4 Ziffer 7 DSGVO, da er über die Zwecke der von ihm bzw. seinem Betriebsausschuss wahrgenommen Einsicht in die Brutto-Entgeltlisten selbst entscheidet.

Fazit

Die Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt reiht sich ein in eine Reihe anderer, gleichlautender Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte. Soweit ich sehe, sind derzeit mehrere Rechtsbeschwerden dazu vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig. Die Entscheidung ist sehr begrüßenswert, insbesondere wird hier klar und deutlich die Datenschutzgrundverordnung richtig interpretiert. Gleichzeitig kommen damit aber nach meiner Auffassung auf den Betriebsrat neue Verantwortlichkeiten zu, denn auch er muss die Beachtung der Datenschutzgrundverordnung und des BDSG bei seinen Daten gewährleisten und sicherstellen.

(LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2018, 4 TaBV 19/17 – Rechtsbeschwerde zugelassen)