Arbeitsrecht

Arbeitnehmereigenschaft eines als Nachtwache beschäftigten Mitarbeiters

Es widerspricht dem Wesen eines Arbeitsvertrages, wenn ein Mitarbeiter frei entscheiden kann, ob und für wann er sich in Dienstpläne einträgt und erst dann zur Leistung des Dienstes verpflichtet ist, wenn er sich eingetragen hat.

Was ist passiert?

Der Kläger, ein selbständiger Künstler, leistete von 2015 bis 2017 in der Regel monatlich drei Nachtwachen in einem Wohnprojekt für obdachlose alkoholkranke Männer in Berlin. Hierfür erhielt er monatlich einen als Honorar bezeichneten Betrag von 195 € netto. Der Kläger unterzeichnete monatlich ein Schreiben über den Erhalt des überwiesenen Betrages. Das Schreiben trug jeweils die Überschrift „Erklärung über den Erhalt einer Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit“.

Im Januar 2018 teilte der Kläger der Beklagten plötzlich mit, bei seiner Tätigkeit handele es sich nicht um eine ehrenamtliche, sondern um eine gewerbliche und verlangte die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns für die drei Jahre unter Abzug der geleisteten Zahlungen.

Der Kläger hat vorgetragen, dass zu Beginn der Nachtwache die Sozialarbeiter, Krankenpfleger oder Betreuer des Spätdienstes ihm „Anweisungen“ gegeben hätten, wie z.B. in Bezug auf die Tablettenausgabe an einzelne Bewohner, die Berücksichtigung aktueller Hausverbote, den Umgang mit Aggressivität und Notfallsituationen etc. Art und Umfang dieser Weisungen blieben im Verfahren im Wesentlichen streitig.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 18.07.2018 der Klage stattgegeben.

Wie hat das LAG entschieden?

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin aufgehoben und die Klage abgewiesen. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.

Es entspreche nicht dem Wesen eines Arbeitsvertrages, wenn ein Mitarbeiter frei entscheiden kann, ob und für wann er sich in Dienstpläne einträgt und erst dann zur Leistung des Dienstes verpflichtet ist, wenn er sich eingetragen hat. Nach Auffassung des LAG konnte der Kläger selbst bestimmen, wann er als Nachtwache tätig werden wollte. Er konnte also frei entscheiden, ob und wann er sich für welchen Nachtdienst im Monat eintragen wollte und war erst dann zur Durchführung verpflichtet, wenn er sich einen Nachtdienst ausgesucht und hierfür eingetragen hatte.

Die Beklagte war dagegen nicht berechtigt, den Kläger anzuweisen, welche Nachtdienste er zu leisten habe oder dass er beispielsweise eine Urlaubsvertretung zu übernehmen habe. Damit fehlt es für die Annahme eines Arbeitsvertrages an dem wesentlichen Merkmal der weisungsgebundenen Tätigkeit.

Fazit

Ob die Entscheidung richtig oder falsch ist, sei hier dahingestellt. Ich habe sie deshalb für den Newsletter ausgesucht, weil hier sehr anschaulich dargestellt wird, wie wichtig das Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ist. Konsequent weitergedacht ist die Vereinbarung einer Vertrauensarbeitszeit unter Umständen der Anfang vom Ende eines Arbeitsverhältnisses. Und dann ist es nicht mehr weit, bis auch andere Arbeitnehmerschutzrechte wie z.B. der Kündigungsschutz entfallen. Augen auf also bei der Vereinbarung solcher vermeintlich flexibler Arbeitszeitvarianten.

(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.12.2018 – 14 Sa 1501/18)