Arbeitsrecht

Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht von der Zustimmung der Arbeitnehmer abhängig gemacht werden

Die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen.

Was ist passiert?

Der Betriebsrat schloss im Jahr 2007 mit der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung über eine variable Vergütung für die Mitarbeiter im Lager ab.

Zum Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung wurde folgendes geregelt:

  1. „Diese Betriebsvereinbarung tritt für alle Mitarbeiter mit Wirkung ab dem 01.07.2007 unter der Bedingung in Kraft, dass 80 % der abgegebenen Stimmen bis zum Ablauf der vom Unternehmen jeweils gesetzten Frist der Betriebsvereinbarung einzelvertraglich schriftlich zugestimmt haben. Hierzu erhalten die Mitarbeiter ein schriftliches Angebot des Unternehmens.
  2. Wird diese Zustimmungsquote von 80 % unterschritten, kann das Unternehmen dies dennoch für ausreichend erklären; in diesem Fall gilt die Betriebsvereinbarung im Geschäftsjahr 2008 (01.07.2007 - 30.06.2008) nur für diejenigen Mitarbeiter, die der Geltung einzelvertraglich schriftlich zugestimmt haben. Beträgt die Zustimmungsquote mindestens 60 %, aber weniger als 80 % und hat das Unternehmen dies für ausreichend erklärt und beträgt der Zielerreichungsgrad im Geschäftsjahr 2008 mindestens 85 % im Jahresdurchschnitt, gilt die Betriebsvereinbarung ab dem 01.07.2008 für alle Mitarbeiter, ansonsten gilt sie für alle Mitarbeiter, sobald in einem Geschäftsjahr der Zielerreichungsgrad von 85 % überschritten wurde.
  3. Die Betriebsvereinbarung löst in ihrem Geltungsbereich sämtliche bislang bestehenden Regelungen zur leistungs- und erfolgsbezogenen Vergütung ab.“

Das Zustimmungsquorum (von 80 %) wurde erreicht.

Der Betriebsrat beantragte jetzt die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der von ihm seinerzeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht haben den Antrag zurückgewiesen.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BAG Erfolg. Der 1. Senat stellte die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung fest.

Die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung könne nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden. Eine solche Regelung widerspreche den Grundprinzipien der Betriebsverfassung. Danach sei der gewählte Betriebsrat Repräsentant der Belegschaft. Er werde als Organ der Betriebsverfassung im eigenen Namen kraft Amtes tätig. Daher sei er auch weder an Weisungen der Arbeitnehmer gebunden noch bedürfe sein Handeln deren Zustimmung.

Eine von ihm abgeschlossene Betriebsvereinbarung gilt kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend. Damit gestaltet sie unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Parteien eines Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis. Insbesondere erfasst sie auch später eintretende Arbeitnehmer.

Das schließe es aus, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu knüpfen.

Fazit

Keine Basisdemokratie im Betrieb? Jedenfalls nicht so. Hätte der BR zunächst über das Ergebnis der BV im Betrieb abstimmen lassen und dann erst die Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wäre das wohl nicht zu beanstanden gewesen. So aber hält das BAG den Weg – richtiger Weise – für unzulässig. Der BR kann nicht zugunsten Dritter auf sein Mitbestimmungsrecht verzichten oder es von deren Zustimmung abhängig machen.

(BAG, Beschluss vom 28.07.2020 – 1 ABR 4/19)
(Quelle: Pressemitteilung 25/20 des BAG)