Arbeitsrecht

Unwirksame Verknüpfung der Sozialplanabfindung mit einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage (Klage­verzichts­prämie)

Die Verknüpfung der Zahlung eines Teils der Sozialplanabfindung mit einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage (sog. Klageverzichtsprämie) ist zweckwidrig und daher unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Klage­verzichts­prämie in einer eigenen Betriebsvereinbarung geregelt, die Prämie aber aus dem Sozialplanvolumen finanziert ist. In einem solchen Fall können Sozialplan und Betriebsvereinbarung als Einheit zu betrachten sein mit der Folge, dass nicht die Betriebsvereinbarung insgesamt unwirksam ist, sondern die Klageverzichtsprämie die im Sozialplan vorgesehene Abfindung erhöht ggf. unter Berücksichtigung etwaiger Kappungsgrenzen.

Was ist passiert?

Der Kläger war im Werk B der Beklagten beschäftigt. Wegen Schließung des Werkes vereinbarten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine Betriebsvereinbarung mit einer Prämie für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage. Für den Sozialplan und die Klageverzichtsprämie standen insges. 8 Mio. EUR als Volumen zur Verfügung.

Der Sozialplan sieht u. a. für alle Arbeitnehmer, denen betriebsbedingt gekündigt wurde, einen Anspruch auf eine Abfindung vor. Diese errechnet sich nach der Formel: „Betriebszugehörigkeit × Brutto­monats­einkommen × Faktor“. Der Faktor beträgt nach der sich anschließenden Tabelle bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres 0,25, vom 41. bis zum 50. Lebensjahr 0,35, vom 51. bis zum 55. Lebensjahr 0,75, vom 56. bis zum 58. Lebensjahr 0,95, vom 59. bis zum 60. Lebensjahr 0,85, im 61. Lebensjahr 0,55, im 62. Lebensjahr 0,25 und vom 63. bis zum 66 Lebensjahr 0,15.

Daneben schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“, nach der sich die Abfindung um den Faktor 0,25 erhöht, wenn der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt.

Der Kläger wurde zum 31.1.2020 gekündigt. Eine Kündigungs­schutz­klage erhob er nicht. Die Beklagte wandte bei der Berechnung der Abfindung und der Klageverzichtsprämie die im Sozialplan vereinbarte Kappungsgrenze von 75.000,00 € an. Der Kläger machte u. a. die Klageverzichtsprämie geltend. Das ArbG lehnte die Forderung ab.

Wie hat das LAG entschieden?

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Abfindung in Höhe der Klage­verzichts­prämie. Die BV Klage­verzichts­prämie umgeht zwar das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Dies führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der BV Klage­verzichts­prämie insgesamt, sondern sie bleibt im Übrigen Teil der Sozialplanregelung. Denn die drei Vereinbarungen bilden eine Einheit, für die insgesamt der gebildete Topf von 8 Mio. € zur Verfügung stand. Wäre die BV Klageverzichtsprämie unwirksam, würde sich der Topf entsprechend verringern. Damit erhöht sich grundsätzlich für jeden unter den Anwendungsbereich des Sozialplans fallenden Arbeitnehmer die Abfindung um den Faktor 0,25, unabhängig davon, ob er Kündigungs­schutz­klage erhoben hat oder nicht. Die Abfindung insgesamt unterliegt als Teil der Sozialplanabfindung allerdings der Kappungsgrenze von 75.000,- €. Die Kappungsgrenze ist wirksam und verstößt insbesondere nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Fazit

Das BAG hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass ein Steigerungsbetrag bei Sozialplanabfindungen für den Fall, dass der Arbeitnehmer auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet, nicht wirksam vereinbart werden kann. Eine gesonderte Vereinbarung, die eine Prämie bei Klageverzicht oder Übertritt in eine Transfergesellschaft zusichert, ist nur dann zulässig, wenn es sich um eine „freiwillige Leistungen“ des Arbeitgebers handelt, die über die Sozialplanleistungen hinaus gewährt wird. Die Prämie muss gesondert, unabhängig vom Sozialplan vereinbart sein.

Die Vereinbarung ist nach Abschluss des Sozialplans zu verhandeln.

Sie darf nicht aus einem vorher vereinbarten Sozialplanvolumen finanziert werden.

Die Prämie muss im Verhältnis zu den Sozialplanleistungen deutlich niedriger ausgestaltet sein. Das Volumen von einem Bruttomonatsgehalt oder ein Betrag nach der Formel „Bruttomonatsentgelt x 10 % x Beschäftigungsjahre“ sind unbeanstandet geblieben.

(LAG Nürnberg, Urt. vom 14.10.2020 – 2 Sa 227/20)