Arbeitsrecht

Keine Beschlussfassung über Teilfreistellung nach § 38 Abs. 1 Satz 3 BetrVG mehr erforderlich

  1. Vor der Wahl von teilweise freizustellenden Betriebsratsmitgliedern bedarf es keines Beschlusses des Betriebsrats über die Zulässigkeit von Teilfreistellungen.
  2. Auf den Vorschlagslisten für die Freistellungswahl sind ent­spre­chend § 6 Abs. 3 Satz 1 WO die einzelnen Bewerberinnen und Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer aufzuführen. Das gilt auch für Be­wer­ber, die nicht in Voll-, sondern in Teilfreistellung kandidieren. Es können keine Bewerberpaare vorgeschlagen werden.
  3. Bei der Aufteilung von Vollfreistellungen in Teilfreistellungen kommt derjenigen Vorschlagsliste das Bestimmungsrecht zu, der die Voll­zeit­freistellung zufallen würde. (Orientierungssätze der Richterinnen und Richter des BAG)

Was ist passiert?

Im März 2018 führte der elfköpfige Betriebsrat (BR) die Wahl der frei­zu­stellenden Mitglieder im Wege der Verhältniswahl durch. Dem BR stan­den zwei Vollfreistellungen zu. Vor Durchführung der Wahl wurde kontrovers diskutiert, ob eine Freistellung in zwei Teilfreistellungen aufgeteilt werde. Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Es wurden zwei Wahlvorschläge eingereicht. Der erste enthielt zwei Namen, mit dem Zusatz der vollen Freistellung. Der zweite enthielt auf den ersten Plätzen jeweils ein Kandidatenpaar mit dem jeweiligen Zusatz des Umfangs der Teilfreistellung. Die Wahl ergab, dass jeweils der erste Listenplatz der beiden Listen nach dem Höchstzahlenprinzip gewählt wurde, so dass eine Vollfreistellung durch die namentlich benannte Person der einen Liste und die zweite Vollfreistellung in Form der Teilfreistellung durch das auf Platz eins der zweiten Liste benannte Kandidatenpaar wahrgenommen wurde. Diese Wahl haben einzelne BR-Mitglieder angefochten und dies damit begründet, dass einerseits kein Beschluss über Teilfreistellungen gefasst worden sei und an­de­rer­seits eine Aufstellung von Kandidatenpaaren gegen we­sent­li­che Wahl­vor­schriften verstoße.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat der Wahlanfechtung stattgegeben. Allerdings führt das BAG aus, dass die Wahlanfechtung nicht damit zu begründen sei, dass vor der Wahl keine Beschlussfassung über Teilfreistellungen gefasst worden sei, denn ein solcher sei nicht erforderlich. Ein solches Er­for­der­nis ergebe sich weder aus dem Wortlaut des § 38 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, noch sei ein solches mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar. Die Möglichkeit der Teilfreistellung sei durch den Ge­setz­ge­ber bereits positiv entschieden worden, so dass es bereits aus dieser Erwägung heraus keines Beschlusses bedürfe. Die Entscheidung über die Freistellung solle nach dem BetrVG durch Wahl entschieden wer­den. Würde jedoch vor der Wahl ein Beschluss ergehen, der Teil­frei­stel­lun­gen nicht zulasse, werde von vornherein die Kandidatur von bestimmten teilzeitbeschäftigten BR-Mitgliedern verhindert. Dies wi­der­spre­che dem Sinn und Zwecke der Regelung über Teilfreistellungen. Die Regelung sei mit dem Ziel eingeführt worden, einerseits Teil­zeit­kräf­ten die Möglichkeit einzuräumen, sich zu engagieren und an­de­rer­seits auch vollzeitbeschäftigten Mitgliedern diese Möglichkeit ein­zu­räu­men, ohne den Anschluss im Berufsleben zu verlieren. Eine vorherige Mehrheitsentscheidung über eine (nicht mögliche) Teil­frei­stel­lung vereitele jedoch genau dies.

Die Wahl der freigestellten BR-Mitglieder war allerdings deshalb un­wirk­sam, da der Wahlvorschlag der zweiten Liste in Form von Kan­di­da­ten­pa­aren unzulässig sei. Die Aufstellung von Kandidatenpaaren wi­der­spre­che dem Erfordernis der Auflistung der einzelnen Bewerber in erkennbarer Reihenfolge. Dies ergebe sich aus dem Wesen der Verhältniswahl, die eine Listenwahl darstelle. Die Grundsätze der WO seien zwar nicht unmittelbar anzuwenden, aber entsprechend. Damit sind auch die Regelungen über die Nennung der Kandidaten in erkennbarer Reihenfolge, wie es § 6 Abs. 3 der WO vorsieht, bei der Wahl der freizustellenden BR-Mitglieder anzuwenden.

Das BAG betonte, dass bei einer Aufteilung in Teilfreistellungen der­je­ni­gen Liste das Bestimmungsrecht zukomme, welche nach dem Höchst­zah­len­pri­nzip die Vollfreistellung erhalte.

Fazit

Mit dieser Entscheidung schafft das BAG Rechtsklarheit bei der Frage von Teilfreistellungen und gibt zugleich Hinweise, wie das Wahl­ver­fah­ren zu laufen hat. Insoweit ist die Entscheidung sehr zu begrüßen.

(BAG, Beschluss vom 24.03.2021 – 7 ABR 6/20)