Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Versetzung bei Maskenbefreiungsattest

  1. Die Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ schließt das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht aus. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO bleibt Sache des Arbeitgebers.
  2. Das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen durch die Anordnung einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, geht dem Interesse des Arbeitnehmers auch dann vor, wenn er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann.
  3. Aus § 296 BGB folgt keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers zu bestimmen.
  4. Aus einer etwaigen Verletzung der Pflicht, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen, folgt kein Annahmeverzugslohnanspruch, sondern allenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz. Jener hat höhere Voraussetzungen, insbesondere ein Verschulden des Ar­beit­ge­bers.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten u.a. über die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Kläger ist Finanzberater bei einem Geldinstitut. Am 19.10.2020, zu einer Zeit steigender Coronazahlen, wurde der Kläger von seinem Vorgesetzten dazu aufgefordert, entsprechend der Vorgaben der Beklagten eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen. Dies verweigerte der Kläger unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe. Er wurde daraufhin angewiesen, die Filiale zu verlassen und der Beklagten ein Attest vorzulegen. Daraufhin ließ sich der Kläger von seinem Arzt ein „Ärztliches Attest zur Maskenbefreiung“ ausstellen, in dem es heißt:

„Nach Anamnese und Untersuchung in meiner Praxis stelle ich hier­mit fest: Der o.g. Patient ist wegen einer Grunderkrankung vom Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen der Corona-Verordnungen befreit, weil diese für ihn kontraindiziert ist. Es besteht ein Psychotrauma aus der Kindheit im 7. Lebens­jahr. Die Maske führt im Rahmen einer PTBS zu Re­trau­ma­ti­sie­rungen.“

Dieses Attest übersandte der Kläger an die Betriebsärztin der Beklagten, die dieser mitteilte, dass der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Kläger regte gegenüber der Beklagten in einem Telefonat seine vorübergehende Beschäftigung in einer Filiale an, in deren unmittelbarer Nähe er wohnt. Dort könne er ein Einzelbüro ohne Kontakt zu Kollegen und Kunden über einen Nebeneingang erreichen und im Bedarfsfall anstelle der betrieblichen Sanitär- und Sozialräume mit wenig Zeitaufwand seine eigenen Räumlichkeiten zu Hause nutzen. Dieser Anregung folgte die Beklagte nicht. Sie teilte dem Kläger mit, dass ihr derzeit keine Arbeitsplätze zur Verfügung ständen, auf denen sie ihm eine Tätigkeit ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ermöglichen könne. Sie werde ihm keine Vergütung mehr zah­len.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat die Klage abgewiesen. Das von der Beklagten ausgeübte Direktionsrecht in Bezug auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei rechtmäßig gewesen. Es sei Sache des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht zu konkretisieren, was erfolgt sei. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, auf Wünsche und Belange des Arbeitnehmers einzugehen. Wenn es der Arbeitgeber schuldhaft unterlasse, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, könne dies nur einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz begründen. Ein solcher sei nicht eingeklagt worden.

Fazit

Das LAG Hamburg schließt sich der Entscheidung des LAG Köln vom 12.04.2021 an, nach dem die Anordnung des Tragens eine Mund-Nasen-Bedeckung vom Direktionsrecht aus Gründen des Infektions- und Gesundheitsschutzes in Zeiten der Corona-Pandemie angemessen und verhältnismäßig ist. Nicht zu entscheiden brauchte das LAG die Frage, ob hier ggf. der Betriebsrat der Maßnahme hätte zustimmen müssen, da es offenbar keinen BR gab.

Die Frage, ob dem Mitarbeiter ggf. ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, weil der Arbeitgeber eine Versetzung abgelehnt hatte, musste das Gericht nicht entscheiden, weil der Kläger „nur“ Annahmeverzugslohn geltend gemacht hatte, nicht aber Schadensersatzansprüche. Insofern wäre das letzte Wort noch nicht gesprochen.

(LAG Hamburg, Urteil vom 13.10.2021 – 7 Sa 23/21)