Arbeitsrecht

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Weiterbeschäftigung nach Erreichen des Rentenalters

Wird ein Arbeitnehmer über eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus weiterbeschäftigt, liegt eine Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor. Das gilt auch dann, wenn die Weiterbeschäftigung aufgrund einer Vereinbarung i.S.v. § 41 SGB VI erfolgt.

Was ist passiert?

Ein Betriebsrat lag im Streit mit zwei Arbeitgeberinnen einer Münchner Verkehrsgesellschaft, ob die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Trambahnfahrer über die tarifliche Altersgrenze hinaus der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Am 08.04.2019 wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, dass ein Arbeitsverhältnis, das nach § 19 Abs. 1 Buchst. a des Tarifvertrags Nahverkehrsbetriebe (TV-N) wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersrente mit Ablauf des 31.05.2019 geendet hätte, auf Wunsch des Angestellten nach § 41 Satz 3 SGB VI um ein weiteres Jahr fortgesetzt werde. Die Arbeitgeberinnen teilten mit, dass eine vereinbarte Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über eine tarifliche Altersgrenze hinaus nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe. Das Recht sei bereits durch die Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung verbraucht.

Mit Antrag vom 24.06.2019 hat der Betriebsrat die Aufhebung der Beschäftigung des namentlich benannten Arbeitnehmers als Trambahnfahrer und die Festsetzung eines Zwangsgeldes für jeden Tag der Zuwiderhandlung beantragt. Die Anträge scheiterten beim Arbeitsgericht München. Das LAG wies sowohl die Beschwerde des Betriebsrats – mittlerweile war der Betroffene in Rente gegangen – als auch die Anschlussbeschwerde zurück.

Wie hat das BAG entschieden?

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte beim BAG keinen Erfolg. Die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers über eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare tarifliche Altersgrenze hinaus sei eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung. Eine solche komme nicht nur bei der erstmaligen Aufnahme eines Mitarbeiters in den Betrieb in Betracht. Die Interessen der bereits dort beschäftigten Arbeitnehmer seien auch berührt, wenn ein Beschäftigter über den zunächst vorgesehenen Zeitpunkt hinaus in Lohn und Brot bleibe. Mit der Weiterbeschäftigung nimmt der Arbeitgeber – nicht anders als bei einer Neueinstellung – eine Besetzung des aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses freiwerdenden Arbeitsplatzes vor. Dies könne Zustimmungsverweigerungsgründe auslösen, die bei der „Ersteinstellung“ nicht voraussehbar waren. Bei jeder befristeten Einstellung reiche die Beteiligung des Betriebsrats daher grundsätzlich nur bis zu der vorgesehenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG weist darauf hin, dass der Umstand, dass § 41 Satz 3 SGB VI mit Unionsrecht vereinbar ist, nicht die Annahme rechtfertigt, im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer könnten infolge der Weiterbeschäftigung keine Nachteile erleiden.

Fazit

Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen. Sie entspricht der schon bisher bestehenden Rechtsprechung, dass jede Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich wie eine Einstellung zu behandeln ist.

(BAG, Urteil vom 22.09.2021 – 7 ABR 22/20)