Arbeitsrecht

Einführung elektronischer Zeiterfassung – Kein Initiativrecht des Betriebsrates

Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.

Was ist passiert?

Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben.

Wie hat das BAG entschieden?

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein – ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares – Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

Fazit

Die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor, es wird noch dauern, bis die endgültigen Entscheidungsgründe veröffentlicht werden. Es scheint aber so zu sein, dass das BAG nicht primär auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie abstellt, sondern den Gesundheitsschutz der Beschäftigten in den Vordergrund stellt. Ausgehend davon, dass § 3 Arbeitsschutzgesetz vorschreibt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen und dazu für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen, bestehe bereits eine gesetzliche Regelung, die den Arbeitgeber zwinge, die Arbeitszeit zu erfassen. Deshalb bedürfe es hier keines weiteren Initiativrechts des Betriebsrates. Auch wenn der Betriebsrat hier formal den Prozess verloren hat, scheint er inhaltlich doch gewonnen zu haben.

(BAG, Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21)
(Quelle: Pressemitteilung des BAG)