Arbeitsrecht

Corona-Testpflicht für Arbeitnehmer und Annahmeverzug

  1. Die Durchführung von Corona-Tests im Betrieb ist eine geeignete Maßnahme, um dortige Ansteckungen zu verhindern und hierdurch die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Darauf gerichtete Weisungen entsprechen grundsätzlich billigem Ermessen.
  2. Arbeitnehmer, die eine entsprechende Testpflicht verweigern, sind nicht leistungswillig i.S.d. § 297 BGB. Wenn die Erbringung der Arbeitsleistung durch die Verweigerung verhindert wird, haben sie keinen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus §§ 61115 BGB.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten über die Pflicht zur Teilnahme an Corona-Tests (PCR) sowie über Vergütungsansprüche der Klägerin wegen Annahmeverzugs der Beklagten. Die Klägerin ist Flötistin bei der beklagten Staatsoper. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) Anwendung, wonach der Arbeitgeber bei Veranlassung durch einen Vertrauensarzt feststellen lassen kann, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden Krankheiten ist. Im Jahr 2020 stellte die Beklagte ein Hygienekonzept auf, welches u.a. allen Mitarbeitern das Vorlegen eines negativen PCR-Tests vor Beginn der Spielzeit 2020/2021 vorschrieb. Andernfalls war die Teilnahme an Proben und Aufführungen nicht erlaubt. Zudem sah das Konzept eine rollierende Folgetestung nach dem Stichprobenprinzip vor. Alle Tests konnten kostenfrei bei der Beklagten oder extern auf eigene Kosten durchgeführt werden. Die Klägerin wollte sich keinem Test unterziehen, da bei ihr keine Anzeichen einer Erkrankung bestehen würden. Die Beklagte beschäftigte sie deshalb nicht und stellte auch die Gehaltszahlung ein. ArbG und LAG wiesen die Klage auf Beschäftigung ohne Testpflicht und Nachzahlung der Vergütung ab.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin sei nicht leistungswillig gewesen, weil sie sich geweigert habe, der Anordnung des beklagten Freistaats Folge zu leisten, vor der Teilnahme einen PCR-Test auf eine Infektion durchzuführen. Schon deshalb sei hier der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug geraten.

Die Anordnung des Arbeitgebers PCR-Test auf eine Infektion mit SarsCov2 vorzunehmen, war wirksam. Es gehöre zu den Pflichten des Arbeitgebers aus § 616 Abs. 1 BGB, Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch Ansteckungen anderer Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit gefährdet werden.

Bei der Umsetzung der Schutzpflichten aus § 3 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Leitlinie des § 4 ArbSchG zu beachten. § 4 Nr. 3 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, hierbei den Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene sowie den sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu berücksichtigen. Bei den Anordnungen, die der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden Schutzpflichten zu erteilen hat, handelt es sich deshalb um Weisungen im Sinne des §§ 106 Satz 2 GewO.

Da das Hygienekonzept die Rahmenvorgaben des Arbeitsschutzgesetzes erfülle und konkretisiere, sei die Weigerung der Flötistin, an der Testung teilzunehmen, nicht angemessen.

Fazit

Das BAG stellt mit dieser Entscheidung Grundsätze auf, die über den konkreten Fall der Covid19-Pandemie hinaus von Bedeutung sein werden. Zukünftig wird man auch bei Grippewellen beispielsweise einen ähnlichen Maßstab zum Gesundheitsschutz anlegen müssen, da das Arbeitsschutzgesetz keinerlei Einschränkungen auf eine Pandemie enthält, sondern grundsätzlich für alle ansteckenden Krankheiten anwendbar ist. Für Betriebs- und Personalräte sowie Mitarbeitervertreter kommt dabei eine besondere Mitverantwortung zu, wenn es um die Erstellung der insoweit mitbestimmungspflichtigen betrieblichen Hygienekonzepte geht.

(BAG, Urteil vom 01.06.2022 – 5 AZR 28/22)