Arbeitsrecht

Unwirksamkeit einer einseitig vom Arbeitgeber reduzierten Jubiläumszuwendung

Ein aus einer betrieblichen Übung entstandener Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung in Höhe eines Monatsgehalts kann nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung nicht ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auf einen niedrigeren festen Betrag reduziert werden.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten um die Höhe einer Jubiläumszuwendung.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 16.12.1996 beschäftigt. Im Betrieb besteht eine seit 20 Jahren praktizierte betriebliche Übung, nach der Mitarbeiter nach u.a. 25 Jahren Betriebszugehörigkeit eine Jubiläumszuwendung von einem Bruttomonatsgehalt erhalten. Aufgrund einer einseitigen Regelung der Beklagten vom 10.10.2016 erhalten die Arbeitnehmer ab dem Jahr 2018 bei einer 25-jährigen Betriebszugehörigkeit nur noch eine Sonderzahlung i.H.v. pauschal 1.000,00 €. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit dem gewählten Betriebsrat wurde dazu nicht abgeschlossen. Anlässlich einer Änderung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2019 vereinbarten die Parteien im dazu abgeschlossen neuen Arbeitsvertrag u.a.:

5. Auf sonstige Sonderleistungen, soweit sie nicht durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geregelt sind, besteht kein Rechtsanspruch. Sie stehen stets unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit. Ein Anspruch besteht auch dann nicht, wenn sie wiederholt und vorbehaltlos gewährt werden. Ansprüche aus bestehender oder zukünftiger betrieblicher Übung sind insoweit ausgeschlossen.

Anlässlich des 25-jährigen Dienstjubiläums zahlte die Beklagte an den Kläger € 1.000,00 brutto. Mit seiner Klage macht der Kläger die Differenz zu einem Bruttomonatsgehalt geltend. Das ArbG hat die Klage unter Hinweis auf die im neuen Vertrag vereinbarte Klausel abgewiesen.

Wie hat das LAG entschieden?

Es hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der aus der betrieblichen Übung entstandene Anspruch auf die Jubiläumszuwendung sei weder durch die einseitige Erklärung der Beklagten aus dem Jahre 2016 noch durch den geänderten Arbeits­vertrag 2019 aufgehoben oder geändert worden. In der Regelung vom 10.10.2016 sei schon kein annahmefähiges Angebot zu sehen. Die Beklagte stellte hier schlicht und einfach neue Regeln auf, ohne irgendwie zu signalisieren, dass sie noch eine Willenserklärung – und sei sie auch konkludent – seitens des Arbeitnehmers benötige.

Aber auch durch den Arbeits­vertrag von 2019 ist die betriebliche Übung auf Zahlung der Jubiläumszuwendung in Höhe eines Monatsgehalts nicht beseitigt worden. Die Beklagte durfte die Jubiläumszuwendungen nicht ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG von einem vom Monatsgehalt auf einen festen geringeren Betrag ändern. Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe wird danach von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätzen zu vergüten. Das ist durch den Zweck des Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geboten. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass sich der Arbeitgeber seiner Bindung an die von ihm einseitig vorgegebene oder mitbestimmte Vergütungsstruktur unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und den in § 87 Abs. 2 BetrVG bestimmten Einigungszwang entzieht.

Fazit

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum BAG wurde zugelassen. Mit der Frage, ob die einzelvertragliche Klausel nicht auch nach §§ 305, 307 BGB unwirksam ist, musste sich das LAG nicht mehr befassen. Der Hauptgedanke der Entscheidung, dass eine entstandene betriebliche Übung zu Sonderzuwendungen jedoch nicht mehr ohne Mitwirkung des Betriebsrates geändert werden kann, überzeugt.

(LAG Nürnberg, Urteil vom 23.11.2022 – 2 Sa 271/22)