Arbeitsrecht

Rückzahlung von Fortbildungskosten

Eine vorformulierte Vertragsbedingung, nach der der Arbeitnehmer die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu erstatten hat, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie auch Eigenkündigungen wegen einer unverschuldeten, dauerhaften Leistungsunfähigkeit erfasst. (Orientierungssatz der Richterinnen und Richter des BAG).

Was ist passiert?

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die Klägerin betreibt eine Reha-Klinik, bei der die Beklagte vom 1.6.2017 bis 31.1.2020 als Altenpflegerin angestellt war. Am 10.2.2019 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag, der eine Fortbildung im Zeitraum von Juni bis Dezember 2019 an 18 Arbeitstagen vorsah. Die Kosten für die Teilnahme beliefen sich insgesamt auf 4.090 EUR. Im Fortbildungsvertrag verpflichtete sich die Beklagte, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens sechs Monate fortzusetzen. Scheidet sie dagegen „aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitsgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung“ vor Ablauf der Bindungsfrist aus, hat die Beklagte die Kosten zurückzuzahlen. Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach Ende der Fortbildung verringert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/6. Die Beklagte schloss die Fortbildung am 3.12.2019 erfolgreich ab. Bereits mit Schreiben vom 29.11.2019 kündigte sie jedoch das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin forderte daraufhin anteilige Fortbildungskosten i. H. v. 2.726,68 EUR zurück.

Das ArbG und das LAG haben die Klage abgewiesen.

Wie hat das BAG entschieden?

Es hat Revision der Arbeitgeberin zurückgewiesen, da die Regelung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht Stand halte.

Das BAG stellt zunächst fest, dass die Rückzahlungsklausel zwar zwischen verschiedenen Beendigungstatbeständen differenziere. Sie knüpfte die Rückzahlungspflicht jedoch an sämtliche Eigenkündigungen des Arbeitnehmers, die nicht auf einem vom Arbeitsgeber zu vertretenen Grund beruhten. Damit erstrecke sich der Anwendungsbereich auch auf eine Kündigung, die der Arbeitnehmer ausspreche, weil er z.B. unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitsgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage sei, die Qualifikation für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu nutzen. Eine solche Rückzahlungsklausel führe zu einer unangemessenen Benachteiligung und sei daher unwirksam. Zwar seien einzelvertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fortbildungskosten grundsätzlich zulässig. Es sei aber nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse die Erstattungspflicht – auch dem Umfang nach – dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Eine Rückzahlungspflicht sei unangemessen benachteiligend, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsfrist kündige, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Die durch den Fortbildungsvertrag bewirkte Bindung an das Arbeitsverhältnis benachteilige die Beklagte auch deshalb unangemessen, weil die Beschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers bei dessen Leistungsunfähigkeit nicht durch den Ausbildungsvorteil ausgeglichen werde.

Fazit

Die Entscheidung des BAG bedeutet eine konsequente Fortentwicklung der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Klauseln, die das Gericht als Allgemeine Geschäftsbedingungen ansieht und die damit einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff BGB unterliegen. Das Urteil ist auf tarifvertragliche Rückzahlungsklauseln deshalb nicht anwendbar, da diese eben nicht einer solchen Inhaltskontrolle unterliegen. Die Entscheidung wird dazu führen, dass eine Vielzahl von Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen unwirksam geworden sind.

(BAG, Urteil vom 1.3.2022 – 9 AZR 260/21)