Befristung einer Arbeitszeiterhöhung – Vertragsinhaltskontrolle – WissZeitVG
Die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung bei wissenschaftlichem Personal unterliegt einer Vertragsinhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Die Bestimmungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) sind weder direkt noch entsprechend anwendbar, fließen jedoch als Wertungsmaßstab in die Vertragsinhaltskontrolle ein.
Was ist passiert?
Die Klägerin war bei der Beklagten – einer staatlichen Universität – seit dem 01.10.2008 aufgrund mehrerer nach § 14 Abs. 2 TzBfG und dem WissZeitVG befristeter Arbeitsverträge als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Vollzeit beschäftigt. Im Jahr 2010 schloss sie ihre Promotion ab. Ab dem 01.10.2013 vereinbarten die Parteien ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis in Teilzeit (50%). Zugleich wurden für den Zeitraum vom 01.10.2013 - 25.9.2020 insgesamt sieben befristete Erhöhungen der Arbeitszeit auf den Umfang einer Vollzeitstelle vereinbart. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Wie hat das LAG entschieden?
Es hat das Urteil des LAG aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Das BAG argumentiert, dass die Vorgaben des TzBfG und des WissZeitVG weder unmittelbar noch analog anwendbar sind, wenn die Befristung einer Aufstockung zu prüfen sei. Das gelte auch dann, wenn wie hier die Befristung immerhin die Hälfte der Arbeitszeit ausmache. Allerdings sei zu prüfen, ob die befristete Erhöhung der Arbeitszeit die Klägerin unangemessen benachteilige. Bei der Interessensabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB können dann auch die Wertungen von § 2 WissZeitVG berücksichtigt werden. Das BAG rechnet im Detail durch, dass es im vorliegenden Fall möglich gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis nach dem WissZeitVG auf 18 Jahre (!) zu befristen, da die Klägerin während der laufenden Befristungsdauer drei Kinder bekommen hatte. Demnach sei auch unter Berücksichtigung der zulässigen Befristungsdauer nach dem WissZeitVG noch keine unangemessene Benachteiligung erkennbar.
Auch lehnt es das BAG nach wie vor ab, die Rechtsprechung zum institutionellen Rechtsmissbrauch bei Kettenbefristungen auf Befristungen mit wissenschaftlichem Personal entsprechend zu erweitern.
Zu prüfen sei aber, ob die befristete Arbeitszeiterhöhung der Förderung der wissenschaftlichen Qualifizierung der Klägerin gedient habe. Hierbei handele es sich um eine eigene Voraussetzung für die Zulässigkeit von Befristungen nach dem WissZeitVG. Entsprechende Feststellungen des LAG hierzu fehlten, weshalb der Senat die Sache zurückverwies.
Fazit
Die Entscheidung manifestiert einmal mehr, dass Befristungen von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal als Ausfluss der Wissenschaftsfreiheit leichter möglich sind. Dennoch enthält das Urteil einen nicht zu unterschätzenden deutlichen Hinweis, nämlich den auf den Zweck der wissenschaftlichen Qualifizierung. Allzu oft stellen Gerichte allein auf den Titel „Wissenschaft“ ab, ohne zu prüfen, welche Aufgaben sich wirklich hinter den Verträgen befinden. Hier darf man auf den weiteren Verlauf des Prozesses und der Entwicklung der Rechtsprechung gespannt sein.
(BAG, Urteil vom 28.5.2024 – 9 AZR 352/22)