Briefwahl zum Betriebsrat: Keine Begründung erforderlich – Falsch gefaltete Stimmzettel sind ungültig
- Ein „Verlangen“ nach Briefwahlunterlagen zur Wahl des Betriebsrates muss nicht begründet werden. Es kann auch formlos dokumentiert werden.
- Ein falsch gefalteter Stimmzettel ist ungültig.
Was ist passiert?
Die beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Eisenbahnverkehrsunternehmen. Im Zeitraum vom 10. bis 12.05.2022 ist der beteiligte elfköpfige Betriebsrat gewählt worden.
Im Zusammenhang mit der Wahl des Betriebsrates haben 71 Wahlberechtigte die Aushändigung bzw. Übersendung von Briefwahlunterlagen verlangt. 23 hiervon richteten ihr Verlangen ohne nähere Begründung an ein Mitglied des Wahlvorstandes. Ohne Beschlussfassung des Wahlvorstandes wurden den Antragenden die Briefwahlunterlagen ausgehändigt bzw. übersandt.
Die Briefwahlunterlagen enthielten ein Merkblatt mit dem Hinweis: „Falten Sie den Stimmzettel so, dass die Stimmabgabe erst nach dem Auseinanderfalten erkennbar ist und legen Sie nur den Stimmzettel in den Wahlumschlag und verschließen Sie ihn (bitte nicht zukleben).“ Auf dem Stimmzettel stand in der untersten Zeile: „Stimmzettel bitte mit dem Schriftbild nach innen falten!“
In der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung am 12.05.2022 behandelte der Wahlvorstand die Briefwahlstimmen einzeln jeweils so, dass zunächst der Freiumschlag geöffnet, diesem sodann der Wahlumschlag sowie die Erklärung zur persönlichen Stimmabgabe entnommen und anhand der Wählerliste überprüft wurde, ob bereits eine Stimmabgabe erfolgt war. War dies nicht der Fall, wurde der Wahlumschlag geöffnet. Bei vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzetteln wurden die Stimmen für ungültig befunden und die Stimmzettel von vornherein nicht in die Wahlurne eingelegt. Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte am 19.05.2022.
Mehrere Arbeitnehmer fochten die Betriebsratswahl fristgerecht an. Sie meinten, dass die Behandlung der vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzettel als ungültige Stimmen in unzulässiger Weise in das Wahlrecht der betroffenen Briefwähler eingreife. Soweit die Erste Verordnung zur Durchführung des BetrVG – Wahlordnung (WO) – anderes vorsehe, sei sie von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Außerdem sei der Hinweis zur Faltung auf den Stimmzetteln ungenügend, weil er lediglich eine Bitte ausdrücke.
Das ArbG Kassel wies den Antrag ab. Das Hessische LAG hat ihm auf Beschwerde der anfechtenden Arbeitnehmer stattgegeben. Die vom Betriebsrat mit der Rechtsbeschwerde angestrebte Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung hatte Erfolg
Wie hat das BAG entschieden?
Der Siebte Senat hat der Rechtsbeschwerde des Betriebsrates stattgegeben.
Die ausführlich und überzeugend begründete Entscheidung geht zunächst auf die Frge ein, ob der Vorgang der Briefwahl ordnungsgemäß erfolgt ist. Das betrifft mehrere Fragen, die für die Tätigkeit des Wahlvorstandes wichtig sind und so nicht ausdrücklich im Gesetz bzw. in der Wahlordnung geregelt worden sind.
Einmal ging es darum, ob ein formloser Antrag auf Briefwahl möglich ist. Das Bundesarbeitsgericht stellt hier überzeugend zunächst auf den Wortlaut des § 24 Abs. 1 WO ab. Hier ist keine Form erforderlich. Das Verlangen nach Briefwahl kann also schriftlich, in Textform (per E-Mail oder WhatsApp) oder auch mündlich erfolgen. Dies leitet das BAG einmal aus dem Wortlaut ab, weil ein „Verlangen“ nicht gleichzusetzen sei mit einem „Antrag“. Weiter bedarf es keiner Begründung des Verlangens der Briefwahl. Das ist wichtig für den Wahlvorstand: Er muss nicht prüfen, ob die Voraussetzungen der Briefwahl bei dem Verlangenden auch tatsächlich vorliegen. Eine Grenze ist dann erreicht, wenn das Mitglied, das über den Versand oder die Aushändigung der Briefwahlunterlagen entscheidet, weiß, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen oder sich Zweifel aufdrängen. Nur dann dürfen die Unterlagen nicht versandt werden bzw. ist der Wahlvorstand verpflichtet beim Antragenden nachzufragen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Und das führt bereits zur nächsten Klärung: Ein Beschluss des Wahlvorstandes über das Versenden oder die Aushändigung der Wahlunterlagen ist nicht erforderlich.
Weiter ging das BAG auf die Frage ein, ob die nach außen gefalteten Stimmzettel gültig sind. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, ob das Vorgehen des Wahlvorstandes bei der Auszählung richtig war. Zunächst stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass nach außen gefaltete Stimmzettel unwirksam sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 WO. Im Ergebnis richtig war auch das Vorgehen des Wahlvorstandes im Übrigen. § 26 WO regelt das Vorgehen bei der Stimmauszählung: Zu Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung öffnet der Wahlvorstand die bis zum Ende der Stimmabgabe eingegangenen Freiumschläge und entnimmt ihnen die Wahlumschläge sowie die vorgedruckten Erklärungen. Ist die Stimmabgabe ordnungsgemäß erfolgt (§ 25), so vermerkt der Wahlvorstand die Stimmabgabe in der Wählerliste, öffnet die Wahlumschläge und legt die Stimmzettel in die Wahlurne. Hier ist die Verordnung etwas ungenau: In die Wahlurne dürfen nur ordnungsgemäße Stimmzettel. Die Wahlumschläge dürfen aber auch erst geöffnet werden, wenn die Stimmabgabe ordnungsgemäß ist. Nach § 25 Satz 1 Nr. 1 WO ist die Stimmabgabe aber nur ordnungsgemäß, wenn der Stimmzettel richtig gefaltet ist. Hierfür muss man aber zwingend den Stimmzettel öffnen. Es ist wohl von einem redaktionell missglückten Verweis auszugehen. Demnach hat der Wahlvorstand hier richtig gehandelt und die Umschläge bereits bei dem Vorgang geprüft, bei dem die ordnungsgemäße Stimmabgabe geprüft wird.
Fazit
Eine Entscheidung aus dem Leben eines Wahlvorstandes. Eine gut begründete und überzeugende Entscheidung, die einige kleine Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Briefwahl und der Stimmauszählung mit klaren Vorgaben für die Praxis beantwortet.
(BAG, Beschl. v. 22.01.2025 – 7 ABR 1/24)