Keine Pflicht zur Nachladung eines Ersatzmitglieds
- Die Ladung eines Ersatzmitglieds zu einer Betriebsratssitzung nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG hat rechtzeitig i.S.v. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zu erfolgen. Ob dies im Fall einer kurzfristigen Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds noch möglich ist, richtet sich nach den objektiven Umständen des Einzelfalls. Dem Betriebsratsvorsitzenden steht hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum zu.
- Wird dem Betriebsratsvorsitzenden die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds erst im Lauf des Tags bekannt, an dem die Betriebsratssitzung stattfinden soll, darf er regelmäßig annehmen, dass die rechtzeitige Nachladung eines Ersatzmitglieds nicht mehr möglich ist.
Was ist passiert?
Arbeitgeber und BR hatten eine – verschlechternde – Betriebsvereinbarung zum Entlohnungssystem abgeschlossen. Diese schlechtere Betriebsvereinbarung hielt der Kläger deshalb für unwirksam, weil in der Sitzung des BR vom 25.07.2023 kein wirksamer BR-Beschluss zur Zustimmung gefasst worden sei und verlangte daher mit seiner Klage die Feststellung, nach der alten – besseren – Betriebsvereinbarung vergütet zu werden.
Zu dieser Sitzung, bei der acht Betriebsratsmitglieder und zwei Ersatzmitglieder anwesend waren, waren am 20.07.2023 elf Betriebsratsmitglieder und zwei Ersatzmitglieder geladen worden. Im Lauf des Vormittags des 25.07.2023 hatte ein weiteres Betriebsratsmitglied mitgeteilt, krankheitsbedingt nicht an der für den frühen Nachmittag anberaumten Sitzung teilnehmen zu können. Für dieses Betriebsratsmitglied wurde kein Ersatzmitglied geladen.
Wie hat das BAG entschieden?
Es hat die Klage abgewiesen. Grundsätzlich sei zwar ein Beschluss des BR unwirksam, wenn zur Sitzung nicht ordnungsgemäß geladen werde. Dazu gehört auch die Ladung der Ersatzmitglieder. Auch für diese gelte, dass sie rechtzeitig zur Sitzung eingeladen werden müssen. Der Senat stellte dabei für die Praxis klar, dass der Betriebsratsvorsitzende regelmäßig davon ausgehen darf, dass eine Nachladung eines Ersatzmitglieds jedenfalls dann nicht mehr „rechtzeitig“ möglich sei, wenn ihm die Verhinderung eines Mitglieds erst am Tag der Sitzung bekannt wird.
Fazit
Die Entscheidung schafft ein Stück Rechtssicherheit und klärt die oft diskutierte Frage, wie kurzfristig Ersatzmitglieder geladen werden müssen. Zwar stellt das BAG auch hier wieder die Entscheidung letztlich in das Ermessen des oder der BR-Vorsitzenden, aber es gibt doch eine praxistaugliche Handreichung. Im konkreten Fall lagen zwischen der Ladung und der BR-Sitzung sogar fünf Tage, die der BR offenbar für angemessen hielt, um rechtzeitig einzuladen. Da erscheint eine Ladung des Ersatzmitglieds am selben Tag erst recht nicht rechtzeitig. Ein Tipp: Es empfiehlt sich, auch diese Frage dann doch in der Geschäftsordnung des BR zu regeln.
(BAG, Urt. v. 20.05.2025 – 1 AZR 35/24)