Aufsätze

GEMA und das neue Hochrechnungsverfahren PRO

Da Komponisten oft nicht selbst in der Lage sind, zu überprüfen und zu überwachen, wann und wer ihre Kompositionen nutzt, z.B. in welchem Kaufhaus ihre Komposition als Hintergrundmusik gespielt wird, welche Radioanstalt ihre Komposition sendet oder welche Band im Rahmen einer Veranstaltung ihre Kompositionen bei einem Live-Auftritt aufführt, übertragen die Komponisten im Regelfall ihre Nutzungsrechte an den Kompositionen der GEMA zur Wahrnehmung.

Die Nutzer der Komposition, also die Kaufhäuser, Radioanstalten bzw. Veranstalter von Live- Aufführungen haben für die Nutzung an die GEMA ein Entgelt zu zahlen, welches die GEMA – nach Abzug für Verwaltungskosten sowie soziale und kulturelle Zwecke – wieder an ihre Mitglieder, folglich an die berechtigten Komponisten und Musikverlage nach Maßgaben des bestehenden Verteilungsplanes verteilt.

Gem. Abschnitt V Ziffer 1 der Aufführungsbestimmungen hat die GEMA „alljährlich für jedes Werk ... anhand der bei ihr eingegangenen verwertbaren Programme und Angaben über abgehaltene Aufführungen“ die Zahl der Aufführungen festzustellen.

Im Bereich der U-Musik sieht die Praxis folgendermaßen aus:

Konzertveranstalter engagieren eine Band oder Blaskapelle, die sowohl eigene als auch fremde Musikstücke aufführen. Die Konzertveranstalter haben vor der Veranstaltung die Einwilligung bei der GEMA einzuholen. Die GEMA kassiert vom Veranstalter das aufgrund des entsprechenden Tarifes geltende Entgelt für die Aufführung der Musikwerke. Wenn die Veranstalter die Einwilligung zur Aufführung der Musikwerke nicht vor der Veranstaltung einholen, ist die GEMA berechtigt, sogar das doppelte Tarifentgelt zu verlangen.

Das von der GEMA eingenommene Entgelt soll natürlich möglichst gerecht an die Berechtigten, nämlich die Komponisten der aufgeführten Musikwerke bzw. an die Musikverlage verteilt werden. Deshalb sind die Veranstalter nach der Konzertveranstaltung verpflichtet, der GEMA eine Aufstellung (sog. Musikfolgebögen) über die bei der Veranstaltung aufgeführten Musikwerke mit Angabe des Komponisten zuzusenden. Anhand der eingegangenen Musikfolgebögen erlangt die GEMA Kenntnis darüber, welche Musikwerke wie oft aufgeführt worden sind, was bei der Verteilung der Einnahmen an die Berechtigten maßgebend ist. Je häufiger eine Komposition aufgeführt worden ist, desto mehr soll der Komponist auch von den Einnahmen erhalten.

In den letzten 4 Jahren gingen bei der GEMA durchschnittlich 100 000 Musikfolgebögen ein. Anhand der von den Veranstaltern gezahlten Einnahmen stellte die GEMA jedoch fest, daß ca. 7 mal soviel Veranstaltungen stattgefunden haben, als Musikfolgebögen eingereicht worden sind. D. h., ca. 6/7 der Einnahmen aus den Aufführungen waren nicht durch Musikfolgebögen belegt.

Um auch diese Einnahmen zu verteilen, hat die GEMA die durch Musikfolgebögen nachgewiesenen Aufführungen mit 7 multipliziert, folglich die nachgewiesenen Kompositionen als repräsentative Stichproben für die Gesamtheit aller Aufführungen behandelt.

Der Nachteil dieses Systems lag darin, daß Mitglieder, deren Werke überwiegend durch Musikfolgebögen belegt waren, gegenüber den Mitgliedern, deren Werke nur vereinzelt durch Musikfolgebögen belegt waren, benachteiligt wurden. So wurden etwa Mitglieder bevorteilt, die stets ihre eigenen Werke aufführten und aus Eigeninteresse stets sämtliche Programme dieser Aufführung einreichten, deren Werke aber von Dritten nicht gespielt wurden.

Seit dem 01.01.1998 wendet die GEMA das nicht von ihren Mitgliedern beschlossene sog. PRO-Verfahren an. Ziel des sog. PRO-Verfahrens ist die Erfassung der Anzahl der nicht durch Musikfolgebögen belegten Musikwerke statistisch zu ermitteln. Grundidee dieses Verfahrens ist, daß Werke, die zeitlich und örtlich häufiger aufgeführt werden, insgesamt auch häufiger aufgeführt worden sind. Deshalb berücksichtigt das PRO-Verfahren zur Ermittlung der unbekannten Aufführungszahlen neben der Anzahl der in Programmen belegten Aufführungszahlen auch die Zahl der Monate und der Bezirksdirektionen der GEMA, in welchen das Musikwerk aufgeführt worden ist.

D. h., ein Musikstück, das mehrmals im Jahr in verschiedenen Bezirksdirektionsbereichen der GEMA aufgeführt worden ist, erhält mehr von den 6/7 der Einnahmen, die nicht durch Musikfolgebögen belegt worden sind als ein Musikwerk, das zwar mehrmals im Jahr, aber nur in wenigen oder gar nur in einem Bereich einer Bezirksdirektion aufgeführt worden ist.

Da durch das neue PRO-Verfahren nicht mehr an Geld zu verteilen ist, sondern nur eine Umverteilung der Einnahmen unter den Berechtigten stattfindet, gibt es natürlich auch Gewinner und Verlierer dieser neuen Abrechnungsregelung.

Ich möchte hier keine Stellungnahme abgeben, wer Gewinner bzw. Verlierer des neuen Abrechnungsverfahrens ist, obwohl leicht ersichtlich ist, daß im Vergleich zum bisherigen Verfahren die zigtausend „kleinen“ und „unbekannten“ evtl. nur im Bereich einer Bezirksdirektion auftretenden Bands sind, die ihre eigenen Kompositionen aufführen, zu den Verlierern gehören werden.

Nicht näher darauf eingehen möchte ich auch, daß an sich eine so weitreichende, für bestimmte Komponisten sehr einschneidende Neuregelung durch die Mitgliederversammlung der GEMA hätte beschlossen werden müssen, auch wenn das Landgericht Berlin in einem Beschluß vom 24.02.2000 mitteilt, daß das neue Hochrechnungsverfahren nicht durch die Mitgliederversammlung hätte beschlossen werden müssen.

Meiner Ansicht nach ist der Ansatz der GEMA, wie die nicht durch Musikfolgebögen belegten 6/7 der Einnahmen aus den Aufführungsrechten gerecht verteilt werden, falsch.

Zwar läßt sich in der Praxis leider nicht vermeiden, daß nicht alle Veranstalter nach einer Veranstaltung Musikfolgebögen über die aufgeführten einzelnen Kompositionen an die GEMA schikken. Dies geschieht jedoch nicht bewußt, sondern einfach aus Unwissenheit, wie ich selbst immer wieder feststellen muß.

Statt 6/7 der nicht durch Musikfolgebögen belegten Einnahmen willkürlich und rein statistisch danach aufzuteilen, wie oft eine Komposition monatlich und in wieviel Bezirksdirektionen der GEMA aufgeführt worden ist, wäre es besser, die Veranstalter zu bewegen, die Musikfolgebögen einzureichen. Die Verteilung der Einnahmen durch die GEMA nach dem PRO-Verfahren bleibt statistisch. Statistikergebnisse sind abhängig von den Parametern, die der Statistik zugrunde liegen. Statistiken arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten und Hypothesen.

Statt zu behaupten, die Anzahl der Monate und der Bezirksdirektionen, in welchen das Musikwerk aufgeführt worden ist, sagt etwas über die Ermittlung der nicht durch Musikfolgebögen belegten Aufführungen aus, könnte auch umgekehrt behauptet werden, der überwiegende Anteil der nicht belegten Aufführungen wird durch die vielen Rock- Pop- und Jazzgruppen bestimmt, die häufig ihre eigenen Kompositionen aufführen aber aus Unwissenheit keine Musikfolgebögen bei der GEMA einreichen.

Das Gesetz verpflichtet die Veranstalter der Verwertungsgesellschaft, folglich auch der GEMA, nach der Veranstaltung eine Aufstellung über die benutzten Werke zu übersenden. Diese Pflicht soll der GEMA eine gerechte Verteilung der dadurch erzielten Einnahmen unter den Berechtigten ermöglichen, wie selbst der Gesetzgeber beim Erlaß dieses Gesetzes in seiner amtlichen Begründung schreibt.

Wenn der Gesetzgeber den Veranstaltern die Pflicht auferlegt, Musikfolgebögen über die aufgeführten Musikwerke den Verwertungsgesellschaften vorzulegen, diese Pflicht der Veranstalter durch die GEMA jedoch nicht eingefordert wird, ist unerklärlich. Die GEMA argumentiert zwar, daß der Verwaltungsaufwand zu groß wäre, wenn sie den Veranstaltern „hinterher laufen“ müßte, bis sie ihren Verpflichtungen nachkommen. Dies ginge wieder zu Lasten der Mitglieder der GEMA, die den erhöhten Verwaltungsaufwand letztlich zu tragen hätten.

Einerseits dürfte sich ein erhöhter Verwaltungsaufwand durch den Einsatz moderner Bürotechnik minimieren lassen. Andererseits ist zu fragen, warum die Mitglieder der GEMA den erhöhten Verwaltungsaufwand tragen sollen und nicht die Veranstalter, die letztlich ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Wenn Veranstalter die Einwilligungen zu den jeweiligen Veranstaltungen nicht bei der GEMA einholen und die GEMA später erfährt, daß Veranstaltungen stattgefunden haben, erhebt die GEMA den doppelten des geltenden Tarifbeitrages mit der Begründung, daß sie einen erhöhten Verwaltungsaufwand habe. Diese Handhabung wurde auch von den Gerichten akzeptiert.

Warum diese Handhabung nicht auch dann gelten soll, wenn die Veranstalter ihrer Verpflichtung zur Vorlage der Musikfolgebögen nicht nachkommen, ist nicht nachvollziehbar.

Jeder Veranstalter, der einmal den doppelten statt einfachen Tarif an die GEMA bezahlt hat, wird beim nächsten mal seiner Verpflichtung nachkommen. Die GEMA könnte jedesmal, wenn sie einem Veranstalter die Einwilligung zu den geplanten Musikaufführungen erteilt, einen Musikfolgebogen und ein Begleitschreiben beifügen, in welchem genau aufgeführt ist, daß der Veranstalter laut Gesetz verpflichtet ist, die Musikfolgebögen ausgefüllt an die GEMA zuzusenden und � falls er dieser Verpflichtung nicht nachkommt – dies mit Kosten für ihn verbunden ist.

Die meisten Veranstalter wissen einfach nicht, daß sie nach einer Veranstaltung an die GEMA einen Musikfolgebogen zusenden müssen, in welchem die bei der Veranstaltung aufgeführten Positionen im Einzelnen aufgeführt sind.

Würde die GEMA ihren gesetzlichen Anspruch gegen die Veranstalter besser durchsetzen und hierbei bei den Veranstaltern für mehr Aufklärung sorgen, würden künftig bei der GEMA wahrscheinlich 6/7 der gezahlten Veranstaltungen auch durch entsprechende Musikfolgebögen belegt sein. Entsprechend der Anzahl der erfolgten Aufführungen der Musikwerke würden die Berechtigten dann an der Verteilung der dadurch erfolgten Einnahmen partizipieren. Es würde eine gerechte Verteilung unter den Berechtigten erfolgen, was auch der Gesetzgeber fordert. Der Anteil der nicht durch Musikfolgebögen belegten Veranstaltungen wäre gering und könnte – wie bisher – im Verhältnis der belegten Aufführungen verteilt werden. Dies wäre allemal ein gerechteres Verfahren als das neue PRO-Verfahren, welches nur auf Wahrscheinlichkeiten und Hypothesen beruht.

Werner Nied