Aufsätze

Die Einigungsgebühr bei einer Kündigung nach § 1a KSchG

I. Einleitung

Nach Nr. 1003, 1000 I S. 1 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG entsteht die Einigungsgebühr „für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht“. Anders als die Vorgängervorschrift des § 23 I BRAGO kommt es für den Anfall der Einigungsgebühr nach dem RVG nicht mehr darauf an, ob der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis „im Wege des gegenseitigen Nachgebens“ beseitigt wird. Maßgeblich ist das Ergebnis, nämlich die Beseitigung der Ungewissheit. Durch diese änderung wollte der Gesetzgeber die Streit vermeidende oder beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter fördern und damit gerichtsentlastend wirken.1

Es stellt sich somit die Frage, ob der Rechtsanwalt beim Abschluss eines Vertrages mitwirkt, wenn er dem Rat suchenden Mandanten empfiehlt, keine Kündigungsschutzklage gegen die nach § 1 a KSchG ausgesprochene Kündigung zu erheben.

II. Rechtsdogmatische Einordnung des § 1a KSchG

Die rechtsdogmatische Einordnung des § 1a KSchG ist nach wie vor umstritten. Es wird die Auffassung vertreten, die Annahme des Abfindungsangebots sei ein Realakt.2 Der Anspruch entstehe nicht durch Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern durch die mit der Kündigung verbundene Erklärung des Arbeitgebers und dem anschließenden prozessualen Verhalten des Arbeitnehmers, nämlich dem Verstreichenlassen der Klagefrist. Diesem Verstreichenlassen der Klagefrist wollen die Autoren nicht den Wert einer Willenserklärung beimessen.

Andere Autoren sind vorsichtiger und formulieren, dass man dem Verstreichenlassen der 3-Wochen-Klagefrist durch den Arbeitnehmer rechtsgeschäftlichen Charakter zumessen könne.3 Deutlicher wird dagegen Preis4, der zum Ergebnis kommt, dass § 1 a KSchG nichts anderes regelt, was sich nicht auf rechtsgeschäftlicher Ebene ohnehin ergäbe. § 1 a KSchG gibt dem Arbeitnehmer einen rechtsgeschäftlich begründeten Anspruch auf Zahlung der angebotenen Abfindung.5 Dem setzt Schmitt-Rolfes entgegen, es könne sich bei dem Hinweis des Arbeitgebers schon typologisch um kein Vertragsangebot handeln, da der Hinweis dem Arbeitnehmer die Möglichkeit offen lassen soll, fristgemäß Kündigungsschutzklage zu erheben.6

1) Die Willenserklärungen

§ 1 a KSchG enthält zwei Willenserklärungen, nämlich zum einen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und zum anderen das Abfindungsangebot.7 Eine vergleichbare Konstellation enthält beispielsweise § 2 KSchG, denn auch bei der änderungskündigung liegen zwei Willenserklärungen vor, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und das Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu geänderten Bedingungen. Die änderungskündigung ist also ein zweiaktiges Rechtsgeschäft.8 Das ändert nichts daran, dass es sich um einen einheitlichen Tatbestand handelt.9 Nicht anders verhält es sich mit der Abfindungskündigung nach § 1a KSchG. Auch hier liegen zwei Willenserklärungen vor, die ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden. Das übersieht Schmitt-Rolfes, wenn er von einer „Aufspaltung“ in zwei Willenserklärungen spricht.

Beiden Vorschriften ist gemein, dass das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung beendet werden soll. Unterschiedlich geregelt ist, mit welchem Verhalten der Arbeitnehmer welche Rechtsfolge auslöst.

2) Die Annahme des Abfindungsangebots

Mit der Regelung des § 1 a KSchG hat der Gesetzgeber zum einen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Rechtsfolgen von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen reagiert,10 wie er auch zugleich einen neuen gesetzlichen Kündigungstypus schaffen wollte, den man durchaus als Abfindungsanspruch mit Wahlrecht bezeichnen kann.11 Letztlich hat der Gesetzgeber mit § 1a KSchG nur das nachvollzogen, was im Ergebnis gängige Praxis ist, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.

Dies zeigt das Beispiel bei Preis, der den Fall diskutiert, dass der Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausspricht und im Kündigungsschreiben – ohne Hinweis auf § 1 a KSchG – eine Abfindungssumme anbietet.12 Gäbe es § 1 a KSchG nicht, bestünde erst recht kein Zweifel, dass ein Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung mit einem Abfindungsangebot im Kündigungsschreiben die Abfindung tatsächlich beanspruchen kann, wenn er keine Klage gegen die Kündigung erhebt.13 Weiterhin ist unstreitig, dass auch nach Inkrafttreten der Regelung im § 1 a KSchG der Arbeitgeber nicht daran gehindert ist, abweichend von § 1 a KSchG eine höhere oder geringere Abfindung als ein halbes Bruttomonatsgehalt anzubieten.

Dieses Angebot kann der Arbeitnehmer auch durch Schweigen annehmen, § 151 I BGB. Dem steht jedenfalls die fehlende Schriftform gem. § 623 BGB nicht entgegen.14 Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund einer schriftlichen Kündigung, die Abwicklungsmodalitäten sind nicht zwingend schriftformbedürftig.15

Noch deutlicher wird die Rechtslage, wenn der Arbeitnehmer auf das Abfindungsangebot reagiert und gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich das Abfindungsangebot annimmt.

Somit steht dem Arbeitnehmer, wenn er eine Abfindungskündigung mit Wahlrecht erhalten hat und die Klagefrist verstreichen lässt, der Abfindungsanspruch als vertraglicher Anspruch zu.

III. Entstehen der Einigungsgebühr

Die Einigungsgebühr setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten ein Vertrag zustande kommt, der zur Beseitigung des zwischen den Parteien bestehenden Streits oder einer Ungewissheit in Bezug auf ihr Rechtsverhältnis nicht nur gewollt, sondern auch geeignet ist.16 Gebührenrechtlich ist eine Vereinbarung der Parteien dann als Einigung anzusehen, wenn damit der Streit oder die Ungewissheit wirklich beseitigt wird, weil es dieser Erfolg ist, dessen Herbeiführung das Gesetz mit der Einigungsgebühr belohnen will.17 Die Erklärung darf sich nicht in einem Anerkenntnis oder einem Verzicht erschöpfen. Diese Einschränkung ist notwendig, damit nicht schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf die Weiterverfolgung einen Anspruch auf die Gebühr auslösen kann.18 Keine Einigungsgebühr soll anfallen, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat sich auf einen Interessenausgleich mit Namensliste und einen Sozialplan einigen, da hierbei lediglich der Beratungs- und Verhandlungsanspruch des Betriebsrates erfüllt wird.19

1) Die Abfindungskündigung als Vertrag

Folgt man der u.a. von Preis vertretenen Auffassung, dass dem Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist der Abfindungsanspruch als vertraglicher Anspruch zusteht, ist die Einigungsgebühr angefallen, wenn der Rechtsanwalt dem Mandanten abrät, innerhalb der 3-wöchigen Klagefrist doch eine Kündigungsschutzklage zu erheben.

2) Das Verstreichenlassen der Klagefrist als Realakt

Lehnt man mit Schmitt-Rolfes die Vertragstheorie ab, wäre die Einigungsgebühr möglicherweise nicht angefallen, da zwischen den Parteien kein Vertrag zur Beendigung eines Streits oder einer Ungewissheit abgeschlossen worden ist.

Dieses Ergebnis erscheint unbefriedigend, da gerade Sinn und Zweck der Regelung von § 1 a KSchG, Prozesse zu vermeiden und außergerichtliche Einigungen zu fördern, beeinträchtigt werden würde. Dementsprechend hat auch die Rechtssprechung an das Entstehen der Einigungsgebühr keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Nimmt der Arbeitgeber nach Erhebung der Kündigungsschutzklage die Kündigung schriftlich und unwiderruflich zurück, ist die Einigungsgebühr angefallen, wenn der Arbeitnehmer seinerseits die Kündigungsschutzklage zurücknimmt.20 Die unter Mitwirkung des Rechtsanwalts gefundene Regelung zwischen den Prozessparteien des Ausgangsverfahrens beseitige den Streit und deren Ungewissheit über die Wirksamkeit der Kündigung und das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Die Einigungsgebühr soll jegliche vertragliche Beendigung eines Streits der Parteien honorieren.21

Nichts anderes kann aber auch für den Fall gelten, dass der Rechtsanwalt dem Arbeitnehmer rät, keine Kündigungsschutzklage einzureichen. Auch in diesem Fall beseitigt das Verstreichenlassen der Klagefrist den Streit und die Ungewissheit über die Wirksamkeit der Kündigung und das Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Es kommt zwischen den Parteien zu einer Einigung. Der Arbeitnehmer verzichtet auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen Zahlung einer Abfindung, der Arbeitgeber bietet zur Vermeidung eines im Ausgang ungewissen Prozesses eine Zahlung an. Spätestens mit dem Ablauf der Klagefrist haben beide Seiten Gewissheit, ob das Arbeitsverhältnis endet oder nicht.

Letztlich müssen auch die Anhänger der Realakttheorie bzw. der Theorie des gesetzlichen Abfindungsanspruchs einräumen, dass der „Hinweis durchaus eine rechtsgeschäftliche Komponente“ enthalte.22 Der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG kann nur dann entstehen, wenn sich der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung entschließt, ein Abfindungsangebot in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts anzubieten. Es liegt also immer eine Willenserklärung des Arbeitgebers dem „Hinweis“ zugrunde. Diese Willenserklärung ist es, die der Arbeitnehmer annimmt, wenn er keine Klage erhebt.

Diese rechtsgeschäftliche Komponente ist es, die dann aber auch die Einigungsgebühr anfallen lässt.

IV. Fazit

Rät der Rechtsanwalt nach Zugang einer Kündigung gemäß § 1 a KSchG dem Arbeitnehmer davon ab, eine Kündigungsschutzklage zu erheben, entsteht mit Ablauf der Klagefrist ein vertraglicher Anspruch, der die Einigungsgebühr nach VV 1000 auslöst, da das Verstreichenlassen der Klagefrist die Ungewissheit beseitigt, ob das Arbeitsverhältnis zu dem vorgesehenen Zeitpunkt endet. Im Zweifel kann es aber auch nicht schaden, das Abfindungsangebot vor Ablauf der Klagefrist ausdrücklich anzunehmen.

Matthias Heese

Veröffentlicht in: Fachanwalt Arbeitsrecht (FA) 2007, 305

  • 1 vergleiche BT-DruckS 15/1971, Seite 204
  • 2 vergleiche HaKo – Fiebig zu § 1 a KSchG, Rand-Nr. 13; Grobys, DB 2003, S. 2174
  • 3 so Löwisch, NZA 2003, 689, 694; ErfK/Ascheid zu § 1 a KSchG, Rand-Nr. 4
  • 4 DB 2004, 70, 72
  • 5 im Ergebnis so wohl auch Däubler, NZA 2004, 177, (179); Bauer/Krieger, NZA 2004, 77
  • 6 Schmitt-Rolfes, NZA 2005, Beilage 1/2005, 3, (7) .
  • 7 a. A. Schmitt-Rolfes, a.a.O.
  • 8 HaKo-Pfeiffer zu § 2 KSchG, Rand-Nr. 5; KR-Rost zu § 2 KSchG, Rand-Nr. 12
  • 9 KR-Rost zu § 2 KschG, Rand-Nr. 12
  • 10 vergleiche BSG, NZA 2004, 661
  • 11 so zutreffend Schmitt-Rolfes a. a. O.
  • 12 Preis, a. a. O., S. 71; Willemsen/Annuß NJW 2004, 177 (183) sprechen hier von einer „gewöhnlichen“ Abfindungsvereinbarung
  • 13 A.A. offenbar Willemsen/Annuß a.a.O. S. 183, die den Verzicht auf die Annahmerklärung nach § 151 BGB nicht gelten lassen wollen
  • 14 A.A. Schmidt-Rolfes a.a.O.
  • 15 ErfK/Müller-Glöde zu § 623 BGB, Rand-Nr. 14
  • 16 Gerold/Schmidt-von Eicken zu VV 1000, Rand-Nr.17
  • 17 Gerold/Schmidt-von Eicken a. a. O.
  • 18 vergleiche BT-DruckS 15/1971, Seite 204
  • 19 So ArbG Berlin, NZA-RR 2006, 543 unter Berufung auf BAG NZA 1998, 900
  • 20 BAG vom 29.03.2006 = FA 2006, 212
  • 21 AG Koblenz NZA-RR 2006, 545
  • 22 So Schmitt-Rolfes, a. a. O., S. 7; Willemsen/Annuß a.a.O., S. 182