Urheberrecht

GEMA und bühnenmäßige Aufführung dramatisch-musikalischer Werke

Allgemein: Urheber musikalischer Werke übertragen der GEMA die Auf­füh­rungs­rechte an Werken der Tonkunst, behalten sich aber das Recht zur bühnenmäßigen Aufführung dramatisch-musikalischer Werke vor. Auf diese Weise behalten die Urheber die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wem sie unter welchen Bedingungen das Recht zur bühnenmäßigen Aufführung ihrer Werke einräumen. Liegt eine bühnenmäßige Aufführung eines dramatisch-musikalischen Werkes vor, so kann die GEMA keine Aufführungsrechte vergeben und folglich auch keinerlei Gebühr vom Veranstalter verlangen. Die Veranstalter müssen die jeweiligen Auf­füh­rungs­rechte dann bei den jeweiligen Rechteinhaber selbst einholen.

Fall: Die Klägerin, die Disney Enterprices Inc., ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Musicals Die Schöne und das Biest, Der Glöckner von Notre Dame, Der König der Löwen und Aida. Die Beklagte ist eine deutsche Konzertagentur, die im Rahmen von Tourneen bundesweit Aufführungen unter dem Titel The Musical Starlights of Sir Andrew Lloyd Webber an The Disney Musical productions veranstaltet. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte führe bei diesen Veranstaltungen die Disney-Musicals bühnenmäßig auf, ohne hierzu berechtigt zu sein. Sie hat die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte argumentierte, sie hätte die entsprechenden Aufführungsrechte von der GEMA erhalten, die entsprechende GEMA-Gebühr bezahlt, so dass die Klägerin jetzt keine Schadensersatz- und sonstige Ansprüche ihr gegenüber geltend machen könne.

Lösung: Der BGH hat der Klage stattgegeben, weil es sich bei den Musicals um eine bühnenmäßige Aufführung handelt. Eine bühnenmäßige Aufführung ist danach anzunehmen bei Wiedergabe des Werkes durch ein für das Auge bestimmtes bewegtes Spiel im Raum oder bei Wiedergabe des Werkes als integrierender Bestandteil eines für Auge und Ohr bestimmten Spielgeschehens, das durch ein bewegtes Spiel im Raum gekennzeichnet ist. Es ist nicht erforderlich, dass gerade der Inhalt des Werkes szenisch umgesetzt wird. Eine bühnenmäßige Aufführung erfordert lediglich, dass nicht nur der Eindruck von zusammenhanglos an­ei­nan­der­ge­reih­ten Handlungselementen und Musikstücken entsteht, sondern ein sinnvoller Handlungsablauf erkennbar wird. Dabei kommt es für eine Aufführung des ge­schütz­ten Werkes nicht darauf an, ob einem Betrachter der Handlungsablauf des benutzten Werkes insgesamt oder zumindest großteils vermittelt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn das Publikum den gedanklichen Inhalt eines Bestandteils, also etwa einer Szene dieses Werkes, erkennen kann.
Da die Beklagte in ihrer Show einige der wichtigsten Schlüsselszenen und die bekanntesten Songs der Disney-Musicals zusammengestellt und unter Verwendung von Kostümen und Bühnenbildern szenisch dargestellt hat, hatte sich für das Publikum ein geschlossenes Bild des Gesamtwerkes oder eines abgrenzbaren Bestandteil des Gesamtwerkes ergeben mit der Folge, dass hier eine bühnenmäßige Aufführung vorliegt.

Da die Beklagte folglich keine Aufführungsrechte an den Musicals – auch nicht von der GEMA erhalten – hatte, wurde sie entsprechend auf Unterlassung, Aus­kunfts­er­tei­lung und Rechnungslegung sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht ver­ur­teilt.

Betreiber von Theatern oder Kleinkunstbühnen sollten daher immer genau prüfen, ob es sich bei der Veranstaltung um eine bühnenmäßige Aufführung handelt oder nicht. Im ersteren Fall sind die Aufführungsrechte vom jeweiligen Berechtigten, im letzteren Fall von der Gema einzuholen.