Schadensersatz für Arbeitgeber – Anwaltskosten für ermittelte Compliance-Verstöße
Ein Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, gehören auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzendem Schaden. Dem stehe § 12a I 1 ArbGG nicht entgegen.
Was ist passiert?
Die Arbeitgeberin verlangt von ihrem ehemaligen Arbeitnehmer noch den Ersatz von Anwaltskosten i.H.v. 66.500 EUR für Ermittlungen im Zusammenhang mit Vorwürfen des Spesenbetrugs, des Abrechnungsbetrugs und von Compliance-Verstößen. Der Kläger war bei der Beklagten als Leiter des Zentralbereichs Einkauf und Mitglied einer Führungsebene zu einem Jahresbruttogehalt i.H.v. zuletzt ca. 450.000 EUR tätig. Nachdem bei der Beklagten mehrere anonyme Verdachtsmeldungen wegen eventueller Compliance-Verstöße des Klägers eingegangen waren, traf diese die Entscheidung, eine Untersuchung unter Einschaltung einer auf die Durchführung von Compliance-Ermittlungen spezialisierten Anwaltskanzlei durchzuführen. Die Kanzlei legte einen Untersuchungsbericht vor, nach dem der Kläger u.a. auf Kosten der Beklagten Personen ohne dienstliche Veranlassung zum Essen eingeladen sowie gegenüber der Beklagten Reisekosten für von ihm unternommene Fahrten zu Champions-League-Spielen des FC Bayern München abgerechnet hatte. Die Tickets für die Spiele hatte der Kläger auf Anforderung von Geschäftspartnern der Beklagten erhalten. Die Anwaltskanzlei stellte der Beklagten für ihre Tätigkeit ausgehend von einem Stundenhonorar i.H.v. 350 EUR insgesamt 209.679,68 EUR in Rechnung.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich wegen Verstoßes gegen das sog. Schmiergeldverbot, Abrechnung privater Auslagen auf Kosten der Beklagten und mehrfachen Spesenbetrugs. Gegen die Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die rechtskräftig abgewiesen wurde.
Mit ihrer Widerklage hat die Beklagte den Kläger auf Ersatz der ihr von der Anwaltskanzlei in Rechnung gestellten Ermittlungskosten in Anspruch genommen und dies damit begründet, der Kläger habe diese Kosten nach den vom BAG für die Erstattung von Detektivkosten aufgestellten Grundsätzen zu ersetzen. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch stehe die Regelung in § 12a I 1 ArbGG entgegen. Zudem habe die Beklagte die Erforderlichkeit der Kosten nicht dargetan.
Das ArbG hat die Widerklage abgewiesen, das LAG hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Beklagten 66.500 EUR zugesprochen. Es hat angenommen, die Beklagte könne die Kosten ersetzt verlangen, die ihr durch die Tätigkeit der Anwaltskanzlei bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden seien. Mit der Revision begehrt der Kläger die vollständige Abweisung der Widerklage.
Wie hat das BAG entschieden?
Die Revision des Klägers war vor dem BAG erfolgreich. Zwar kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die durch das Tätigwerden einer spezialisierten Anwaltskanzlei entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er die Anwaltskanzlei anlässlich eines konkreten Verdachts einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers mit Ermittlungen gegen diesen beauftragt hat und der Arbeitnehmer einer schwerwiegenden vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird. Sofern ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung des Arbeitnehmers vorliegt, gehören auch die zur Abwendung drohender Nachteile notwendigen Aufwendungen des Geschädigten zu dem nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden. Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde. Dem steht § 12a I 1 ArbGG, der als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen, sondern auch einen materiellen Kostenerstattungsanspruch ausschließt, nicht entgegen. Diese Bestimmung findet in einem solchen Fall keine Anwendung.
Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Kosten erforderlich waren. Es fehlt an einer substantiierten Darlegung, welche konkreten Tätigkeiten bzw. Ermittlungen wann und in welchem zeitlichen Umfang wegen welchen konkreten Verdachts gegen den Kläger von der beauftragten Anwaltskanzlei ausgeführt wurden.
Fazit
Die Entscheidung liegt bisher nur als Pressemitteilung vor. Aber auch wenn der Kläger hier erfolgreich war und die Kosten abwehren konnte, so ist doch zu erwarten, dass das BAG in den Urteilsgründen Hinweise geben wird, welche Anforderungen an Arbeitgeber zu stellen sind, die erfüllt sein müssen, um auch die Ermittlungskosten als Schaden geltend machen zu können. Ähnlich wie bei den Detektivkosten wird es also zukünftig auch bei den Kosten einer Anwaltskanzlei für die Ermittlung von Compliance-Verstößen sicherlich zu ähnlichen Prozessen kommen. Was angesichts der hier genannten Anwaltshonorare fast schon ruinös werden kann.
(BAG, Urteil vom 29.04.2021 – 8 AZR 276/20)
(Quelle: Pressemitteilung des BAG)