Arbeitsrecht

Befristung – Sachgrund der Vertretung

Weiß ein Arbeitgeber, dass ein befristet eingestellter Arbeitnehmer während der gesamten Vertragsdauer arbeitsunfähig sein wird, kann er die Befristung nicht mit dem Sachgrund der Vertretung rechtfertigen.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Sachgrund erfolgten Befristung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger erlitt eine Woche vor Ablauf seines Vertrages einen Arbeitsunfall, über den er seinen Arbeitgeber unverzüglich informierte. Es bestünde der Verdacht auf einen Nabelbruch, weshalb ihm möglicherweise eine Operation drohe. Die Erstbescheinigung vom 25.04.2022 wies den Arbeitsunfähigkeitszeitraum vom 23.04.2022 bis zum 08.05.2022 aus, unter dem üblichen Hinweis „voraussichtlich arbeitsunfähig“. Insgesamt war der Kläger bis über den Monat Mai hinaus arbeitsunfähig erkrankt.

Am 27.04.22 schlossen die Parteien einen weiteren, auf vier Wochen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 28.05.22 ab. Als sachlicher Grund für die Befristung war die Urlaubsvertretung drei namentlich genannter Mitarbeiter angegeben. Nachdem dieser Vertrag dann nicht mehr verlängert wurde, klagte der Kläger auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.

Wie hat das LAG entschieden?

Das LAG hob das Urteil auf und entschied zu Gunsten des Mitarbeiters.

Lebensnah interpretiert die Berufungskammer den unstreitigen Inhalt der vorgelegten Whats-App Nachricht vom 23.04.2022 wie folgt: Wer eine derartige Nachricht erhält, hat sicheres Wissen von einer mehrwöchigen Dauererkrankung des Arbeitnehmers. Die dort geschilderten Umstände, Nabelbruch, Krankenhausaufenthalt, Aufschlagen des Paketes auf den Bauch des Arbeitnehmers lassen keinen anderen Schluss zu. Jede andere Interpretation wäre lebensfremd. Dieses sichere Wissen wird auch nicht relativiert durch die unstreitigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die jeweils die Arbeitsunfähigkeit nur zeitabschnittsweise bestätigen, denn jeder, der sich mit der Materie auskennt, weiß, dass bei der nur vorübergehenden Angabe der Zeitdauer „voraussichtlich“ jederzeit weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen folgen können und in diesem Streitfall auch folgen mussten.

Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenden und der Einstellung des Vertreters voraus. Notwendig aber auch ausreichend ist, dass zwischen dem zeitweiligen Ausfall von Stammarbeitskräften und der befristeten Einstellung von Aushilfsarbeitnehmern ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs einstellt worden ist. Und das sei hier nicht der Fall.

Fazit

Die Entscheidung ist sicherlich richtig und im Einzelfall für den Kläger sehr erfreulich. In der Praxis aber wird sie dazu führen, dass Arbeitgeber noch zurückhaltender werden, wenn es darum geht, einen befristeten Vertrag mit einem gesundheitlich labilen oder erkrankten Mitarbeiter zu verlängern. Die Krankheit mag zwar im Einzelfall noch kein Kündigungsgrund sein, ein Nichtverlängerungsgrund wird sie damit allemal.

(LAG Niedersachsen, Urteil vom 11.05.2023 – 5 Sa 27/23)
Revision zugelassen