Arbeitsrecht

Betriebsrat – Auskunftsanspruch – schwerbehinderte Menschen

  1. Der Betriebsrat hat eine Förderaufgabe für schwerbehinderte Beschäftige auch dann, wenn sie leitende Angestellte sind und kann dann auch Auskunft über deren Namen verlangen.
  2. Soweit § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG vorsieht, dass personenbezogene Daten von Beschäftigten verarbeitet werden dürfen, wenn dies zur Erfüllung eines sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist, stellt die Norm eine Rechtsgrundlage i.S.v. Art. 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. c DSGVO dar. Der Umstand, dass § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG den Vorgaben der Öffnungsklausel in Art. 88 DSGVO nicht genügt, ist insoweit unerheblich.

Was ist passiert?

Der Betriebsrat eines Energieversorgungsunternehmens verlangte, ihm ein Verzeichnis aller im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zu übermitteln. Für die Verarbeitung derartiger personenbezogener Daten hatte der Betriebsrat ein umfassendes Datenschutzkonzept erstellt. Die Arbeitgeberin erteilte daraufhin lediglich die Auskunft, der Schwellenwert für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb sei erreicht. Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin müsse ihm Auskunft über Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen erteilen. Er habe darauf zu achten, dass die Arbeitgeberin ihre vielseitigen – im einzelnen benannten – Pflichten gegenüber dieser Personengruppe erfülle. Zudem habe er die Aufgabe, auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken. Dem könne er nur nachkommen, wenn ihm bekannt sei, welche Arbeitnehmer schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt seien. Der Betriebsrat verlangte zuletzt die besagte Auskunft und verlangte zudem von der Arbeitgeberin, es zu unterlassen, den Betriebsrat dadurch zu stören und zu behindern, dass ihm nicht Anzahl und Namen der im Betrieb K beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen mitgeteilt werden. Die Arbeitgeberin meinte zudem, dass die begehrte Auskunft gegen Datenschutzvorschriften verstoße. Das Arbeitsgericht gab den Anträgen des Betriebsrats statt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos.

Wie hat das BAG entschieden?

Das BAG wies die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hinsichtlich des zugesprochenen Auskunftsanspruchs zurück, hob aber die dem Unterlassungsantrag des Betriebsrates stattgebende Entscheidung als unzulässig auf. Der Betriebsrat habe einen Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 BetrVG auf Auskunft über die Namen der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer, da die begehrte Information zu seiner Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Dies folgt nicht schon daraus, dass der Betriebsrat gemäß § 176 Satz 2 Hs. 2 SGB IX die Aufgabe hat, auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken. Denn zwischenzeitlich war bei der beteiligten Arbeitgeberin eine Schwerbehindertenvertretung gebildet worden.

Die begehrte Auskunft ist jedoch zur Wahrnehmung einer Aufgabe des Betriebsrates gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG i.V.m. § 176 Satz 1 und Satz 2 Hs. 1, § 164 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1, 4 und 5 sowie Abs. 5 Satz 3 SGB IX erforderlich. Danach hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern. Diese Aufgabe wird – wie die Formulierung „insbesondere“ zeigt – durch die in § 176 Satz 2 SGB IX genannten Aufgaben konkretisiert. Dieses Recht hat der Betriebsrat unabhängig von der Frage, ob der Arbeitgeber bereits vorhat, eine personelle Einzelmaßnahme für eine schwerbehinderte oder ihr gleichgestellte Person durchzuführen.

Die schwerbehinderten Menschen haben im Rahmen des SGB IX umfassende Rechte, wie beispielsweise das Recht auf eine leidensgerechte Beschäftigung oder einen behindertengerecht eingerichteten Arbeitsplatz. Nur wenn der Betriebsrat um diese Personen weiß, kann er seine Überwachungsaufgaben hinsichtlich der Prüfung der Umsetzung dieser Vorschriften wahrnehmen.

Darüber hinaus verstößt der begehrte Auskunftsanspruch nicht gegen datenschutzrechtliche Vorschriften. Die Weitergabe der begehrten Daten ist nämlich nach den §§ 26 Abs. 3, 22 Abs. 2 BDSG zulässig, da dies zur Erfüllung eins sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts der Interessensvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen unionsrechtliche Vorschriften. Zudem hat der Betriebsrat ein umfassendes Datenschutzkonzept, wobei offenbleibt, ob der Anspruch davon abhängig gemacht worden ist.

Fazit

Der Betriebsrat ist also ausnahmsweise auch einmal für die Interessensvertretung der leitenden Angestellten zuständig, sofern sie schwerbehindert sind und es um die Einhaltung des Schwerbehindertenrechts geht. Der Datenschutz hat dort seine Grenzen, wo Daten zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe notwendig sind.

(BAG, Urteil vom 9.5.2023 – 1 ABR 14/22)