Arbeitsrecht

Fristlose Kündigung bei beleidigender Äußerung in privater Whats-App-Gruppe

Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige in einer aus sieben Teilnehmern bestehenden privaten Chatgruppe bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten durfte, seine Äußerungen würden von keinem Beteiligten an Dritte weitergegeben.

Was ist passiert?

Die Parteien streiten unter anderem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, die die Beklagte gegenüber dem Kläger im Juli 2021 ausgesprochen hat.

Der arbeitet seit 1999 bei der Beklagten, die etwa 2.100 Arbeitnehmer:innen beschäftigt, zuletzt als Gruppenleiter in der Lagerlogistik. Der Kläger war seit 2014 mit fünf anderen Arbeitnehmern der Beklagten Mitglied einer Chatgruppe des Messengerdienstes WhatsApp. Von November 2020 bis Januar 2021 gehörte der Gruppe ein ehemaliger Arbeitskollege an. Die Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger in einigen seiner Chatbeiträge – wie auch verschiedene andere Gruppenmitglieder – in beleidigender, fremdenfeindlicher, sexistischer und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte sowie Kollegen und rief teilweise zu Gewalt gegen sie auf.

Das vorübergehend der Chatgruppe angehörende Mitglied zeigte im Rahmen eines Gesprächs über einen Arbeitsplatzkonflikt einem Mitarbeiter der Beklagten den Chatverlauf auf seinem Smartphone, der davon eine Kopie an sich weiterleitete. Von dem Chatverlauf erlangten in der Folgezeit der Betriebsratsvorsitzende sowie die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der Beklagten Kenntnis. Der Betriebsratsvorsitzende teilte dem Personalleiter der Beklagten während dessen Urlaubsabwesenheit telefonisch das Bestehen der Chatgruppe mit und berichtete über den Inhalt des ihm bekannten Chatverlaufs. Die Beklagte erforschte den Sachverhalt und hörte den Kläger zu diesem an. Daraufhin kündigte sie das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben den gestellten Kündigungsschutzanträgen stattgeben. Das Landesarbeitsgericht argumentierte, der Kläger habe sich auf ein erwartbares schützenswertes Vertrauen berufen können, dass die anderen Chatgruppenmitglieder die Äußerungen nicht an Dritte weitergeben würden. Unter anderem dagegen richtete sich die Revision der Beklagten.

Wie hat das BAG entschieden?

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Kündigungsschutzanträge aufgehoben und zur neuen Verhandlung an dieses zurückverwiesen. Der Kläger habe keine berechtigte Vertraulichkeitserwartung für sich dahingehend in Anspruch nehmen dürfen, dass die beleidigenden Äußerungen nicht an Dritte weitergegeben werden.

Zunächst beschäftigt sich das BAG mit der Frage, ob die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen, auf die sie die Kündigung stützt, also die beleidigenden Äußerungen, einem Sachverwertungsverbot unterliegen. Dies wird vom BAG grundsätzlich verneint. Im Grundsatz kennen weder die Zivilprozessordnung, die grundsätzlich auch im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen Anwendung findet, noch das Arbeitsgerichtsgesetz solche Sachverwertungsverbote. Die Frage der Verwertbarkeit einer solchen Tatsache richtet sich seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nach deren Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst e. Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot kommt auch im Geltungsbereich der DSGVO nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen oder eines Beweismittels wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 iVm. Art 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist.

Danach betreffen die Äußerungen in der privaten Whats-App-Gruppe nicht den unantastbaren Intimsbereich, sondern allenfalls seinen Privatbereich. Bei Äußerungen in einer aus sieben Personen bestehenden Chatgruppe hatte der Kläger offenkundig selbst nur einen begrenzten subjektiven Willen zur Geheimhaltung. Anders als etwa bei Tagebucheinträgen, bei denen im Übrigen selbst nicht ausnahmslos ein Verwertungsverbot besteht, handelt es sich um von vornherein auf Mitteilung gegenüber anderen Personen angelegte Aufzeichnungen. Die Chatbeiträge des Klägers hatten nach ihrem Inhalt keinen ihn betreffenden höchstpersönlichen Charakter, sondern zielten auf die Herabwürdigung, Verächtlichmachung und Beleidigung anderer Personen ab. Damit berührte er nicht nur deren Sphäre, sondern durch die in ihm enthaltenen Gewaltaufrufe auch Belange der Gemeinschaft.

Keine Rolle spielt es nach Ansicht des BAG auch, dass ein Dritter den Chatverlauf ohne Einwilligung des der Chatgruppe angehörenden ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten kopiert haben mag. Selbst ein Diebstahl von Unterlagen – wie vom Kläger angesichts der von ihm behaupteten Überlistung des ausgeschiedenen Chatgruppenmitglieds bei der Weiterleitung des Chatverlaufs als Gegenargument angeführt – würde für sich genommen noch kein Verbot ihrer Verwertung begründen.

Das BAG führt weiter aus, dass das LAG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Äußerungen des Klägers aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht als wichtiger Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB anzusehen sind, weil es sich um vertrauliche Kommunikation gehandelt habe.

Bei ehrverletzenden Äußerungen über nicht anwesende Dritte besteht in besonders engen Lebenskreisen eine beleidigungsfreie Sphäre, wen die Äußerungen Ausdruck des besonderen Vertrauens ist und keine begründete Möglichkeit ihrer Weitergabe besteht. Zu den Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört es, dass der Einzelne einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor Sanktionen verkehren kann. Der Kreis möglicher Vertrauenspersonen ist dabei nicht auf Ehegatten oder Eltern beschränkt, sondern erstreckt sich auf ähnlich enge – auch freundschaftliche – Vertrauensverhältnisse. Voraussetzung für diesen Schutz der Vertrauensbeziehung ist allerdings, dass ein Verhältnis zwischen den an der Kommunikation beteiligten Personen besteht, das dem Verhältnis vergleichbar ist, wie es in der Regel zu nahestehenden Familienangehörigen besteht. So hatte das BAG entschieden, dass – je nach konkreter Situation – vertrauliche Gespräche zwischen Kolleg:innen über Vorgesetze auch vertraulich bleiben. Hierbei bedarf es aber einer berechtigten Vertrauenserwartung, die nicht nur einseitig ist.

Dies war nach Ansicht des BAG hier nicht der Fall, zumindest nach den vom LAG herangezogenen Gesichtspunkten. Es bedarf bei der Größe der Gruppe schon einer besonderen Rechtfertigung, warum hier Vertrauen entstanden sein soll, dass die Inhalte nicht aus Außen gelangen. Weiter spricht die Form über einen Whats-App-Messengers gegen die Annahme einer solcher Erwartung, da dieses Kommunikationsmittel gerade auf die leichte und schnelle Weitergabe von Gesprächsinhalten zielt, gerade auch mit der Funktion der Kopierbarkeit. Das das Landesarbeitsgericht dem Kläger aber nicht Gelegenheit gegeben hat, noch auszuführen, worin genau diese Vertrauenserwartung entstanden sein könnte, wurde die Sache insoweit an das LAG zurückverwiesen.

Fazit

Man sollte nicht nur darauf achten, was man sagt, sondern auch wo man es sagt. Die Rechtsprechung zieht den Kreis, in dem eine „berechtigte Vertraulichkeitserwartung“ besteht, eher eng, sodass hier Vorsicht geboten ist. Wer entsprechende Äußerungen verschriftlicht in die Welt setzt, muss damit rechnen, dass sie nachteilig gegen den Äußernden verwendet werden können.

(BAG, Urteil vom 24.8.2023 – 2 AZR 17/23)