Arbeitsrecht

Heilung von Verfahrensfehlern bei Betriebsratsbeschlüssen

  1. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung kann durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn der Betriebsrat beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen.
  2. Hierbei ist es nicht erforderlich, über die Ergänzung der Tagesordnung getrennt abzustimmen. Vielmehr ist es ausreichend, dass niemand der Beschlussfassung über den neuen Tagesordnungspunkt widerspricht.

Was ist passiert?

Am 09.03.2021 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung der Mitarbeiterin B. sowie um deren Eingruppierung in die Gehaltsgruppe E des einschlägigen Haustarifvertrages. Frau B. sollte als Assistenz des Betriebsrates beschäftigt werden. In seiner Sitzung vom 10.03.2021 stimmte der BR der Einstellung zu, widersprach jedoch der Eingruppierung mit der Begründung, zutreffend sei eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe F und teilte dies dem Arbeitgeber mit Schreiben vom 11.03.2021 mit.

Der Arbeitgeber leitete daraufhin beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren ein u.a. mit dem Antrag festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B. in die Gehaltsgruppe E des Haustarifvertrags der Beklagten vom 30.08.2012 als erteilt gilt.

Er bestritt die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats zum Zeitpunkt der Sitzung am 10.03.2021. Es sei nicht erkennbar, dass alle Betriebsratsmitglieder zur Sitzung am 10.03.2021 unter Mitteilung der Tagesordnung ordnungsgemäß geladen worden seien.

Zur Ordnungsgemäßheit der Sitzung am 10.03.2021 hat der BR vorgetragen, alle elf Betriebsratsmitglieder seien rechtzeitig eingeladen und für die verhinderten Betriebsratsmitglieder die richtigen Ersatzmitglieder geladen worden. Die Betriebsratsmitglieder C, D und E. hätten entschuldigt gefehlt, das Betriebsratsmitglied F. unentschuldigt. Für die drei entschuldigten Betriebsratsmitglieder habe der Betriebsratsvorsitzende die Ersatzmitglieder G, H und I geladen. Das geladene Ersatzmitglied H habe ebenfalls unentschuldigt gefehlt. An der Betriebsratssitzung hätten inklusive der JAV insgesamt zehn Personen teilgenommen, davon neun Betriebsratsmitglieder.

In der Tagesordnung seien „personelle Beschlüsse“ nur allgemein angekündigt worden. Unter Top 2 der versandten Tagesordnung sei jedoch der Tagesordnungspunkt „Ergänzung und Genehmigung der Tagesordnung“ aufgeführt gewesen. Der Betriebsratsvorsitzende habe in der Betriebsratssitzung am 10.03.2021 die ergänzte Tagesordnung bekannt gegeben und dabei technisches Equipment verwendet. An der Stirnwand des Versammlungsraums sei die vollständige Tagesordnung gezeigt worden, über die dann per Beschluss abgestimmt worden sei. Die Tagesordnung habe auch personelle Beschlüsse zum Thema Einstellung und Eingruppierung von Frau B. enthalten. Da es noch weitere Ergänzungswünsche zur Tagesordnung gegeben habe, habe der Betriebsratsvorsitzende über die Gesamtheit der ergänzten Tagesordnung abstimmen lassen. Alle anwesenden Betriebsratsmitglieder hätten hierzu mit ja gestimmt. Über den konkreten Tagesordnungspunkt „Eingruppierung Frau B.“ habe der Betriebsratsvorsitzende einstimmig in der Betriebsratssitzung abstimmen lassen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben und festgestellt, dass die Zustimmung des Betriebsrates als erteilt gelte, da keine ordnungsgemäß zustande gekommene Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates vorliege. Der Beschluss des Betriebsrates in der Sitzung sei schon aus formellen Gründen unwirksam.

Wie hat das LAG entschieden?

Das LAG hat die Entscheidung des ArbG insoweit abgeändert. Die Zustimmung zur Eingruppierung gelte nicht als erteilt, da der zugrundeliegende Beschluss des Betriebsrates wirksam gewesen sei. Der Betriebsrat habe die Zustimmung zur Einstellung und den Widerspruch gegen die Eingruppierung ausweislich des Protokolls seiner Sitzung einstimmig beschlossen. Der Sitzungsniederschrift nach § 34 BetrVG komme dabei ein hoher Beweiswert zu. Werde aus ihr die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ersichtlich, bedürfe es i.d.R. keiner weitergehenden tatsächlichen Darlegung oder einer darauf gerichteten Beweisaufnahme. Vielmehr müsse der Arbeitgeber den Beweiswert der Niederschrift erschüttern oder den Gegenbeweis antreten. Eine getrennte Abstimmung über die Frage der Einstellung auf der einen sowie über die damit zusammenhängende Eingruppierung auf der anderen Seite sei keine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen formwirksamen Beschluss. Im Gegenteil sehe § 33 BetrVG – über die gesetzlich geregelten Voraussetzungen wie etwa die Beschlussfähigkeit hinaus – keine besonderen Verfahrensvoraussetzungen für die Beschlussfassung des Betriebsrats vor. Liege wie vorliegend ein einheitliches Anhörungsschreiben des Arbeitgebers zu Einstellung und Eingruppierung vor, sei es nicht fernliegend, beide Fragen gemeinsam aufzurufen. Solange sich feststellen lasse, dass tatsächlich über beide Punkte entschieden wurde, sei gegen eine einheitliche Abstimmung nichts einzuwenden. Seien wie vorliegend die Abstimmungsergebnisse einstimmig, spräche auch nichts dagegen, das Abstimmungsergebnis zu beiden Punkten zusammengefasst in der Niederschrift zu dokumentieren.

Der Betriebsrat sei beschlussfähig i.S.v. § 33 Abs. 2 BetrVG gewesen, da von seinen elf Mitgliedern neun Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder in der Sitzung zugegen waren. Zu Recht sei für ein „wegen Nachtschicht“ fehlendes Mitglied kein Ersatzmitglied geladen worden. Zwar sei gem. § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG bei Verhinderung eines Mitglieds das entsprechende Ersatzmitglied zu laden und andernfalls der Betriebsrat ungeachtet seiner Beschlussfähigkeit an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert. Allerdings sei ein Ersatzmitglied nur dann zu laden, wenn eine Verhinderung i.S.v. § 25 BetrVG vorliege. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, da die Einteilung zur Nachtschicht nicht an der Sitzungsteilnahme hindere. Gleiches gelte im Hinblick auf ein anderes „wegen Home-Office“ verhindertes Betriebsratsmitglied.

Der Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses stünde auch nicht entgegen, dass der Ladung zur Betriebsratssitzung keine Tagesordnung beigefügt gewesen war. Eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung könne durch die i.Ü. ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrates in der Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn der Betriebsrat beschlussfähig i.S.v. § 33 Abs. 2 BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Es sei weder erforderlich, dass an der Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen noch, dass über die Ergänzung der Tagesordnung getrennt abgestimmt wird. Ausreichend sei vielmehr, dass niemand der Beschlussfassung über den neuen Tagesordnungspunkt widerspricht.

Fazit

Die Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht sehr hilfreich. Auch wenn im Ergebnis die Zustimmung des Betriebsrats zu der vom Arbeitgeber vorgesehen Eingruppierung ersetzt wurde, bescheinigt das LAG dem Betriebsrat, formal alles richtig gemacht zu haben. Das heißt, für ein BR-Mitglied, das wegen seiner Arbeit in der Nachtschicht zuvor nicht zur BR-Sitzung kommt, ist kein Ersatzmitglied zu laden, und ebenso wenig für ein im Home-Office befindliches BR-Mitglied. Auch die Art und Weise, wie der BR seine Tagesordnung ergänzt hat, war nicht zu beanstanden. Erforderlich bleibt dabei ein einstimmiger Beschluss zur Änderung der Tagesordnung, wenn nicht alle ordnungsgemäß geladenen Mitglieder anwesend sind.

(LAG Thüringen, Beschluss vom 24.10.2023 – 1 TaBV 25/21)